Zweisprachig beschriebene Vorphilatelie
Der Münchener Briefmarken-Club e.V. hat unter seinen Mitgliedern eine ganze Reihe von Sammlern, die sich durch ihre Expertise weit über die Landesgrenzen hinaus einen Namen gemacht haben. Ihre Kenntnisse stellen sie nicht selten als Bundesprüfer zur Verfügung. Zu ihnen gehört Jörg Maier, von seinen Freunden liebevoll Chile-Maier genannt und als solcher bundesweit bekannt. Von Zeit zu Zeit tritt der Münchener Club mit beachtenswerten Publikationen dieser Experten hervor und erfüllt so den in seiner Satzung festgehaltenen Auftrag, Wissen zu bewahren und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Die jüngste Veröffentlichung will, wie der 1. Vorsitzende Robert Binner in seinem Vorwort ausführt, „einen neuen Akzent setzen“ und wendet sich einem Gebiet zu, „das bislang im Schrifttum keine Aufmerksamkeit erfahren hat“. Die Rede ist von der Vorphilatelie der Republik Chile, d.h. der nach-kolonialen Periode ab 1. Januar 1818 bis zur Einführung der ersten Briefmarken am 1. Juli 1853. Hierfür konnte es keinen besseren Autor geben als eben Jörg Maier. Nach einer kurzen Einführung, die den zeitlichen Rahmen absteckt, die Organisation des Postwesens erklärt sowie die Stempel und Posttarife erläutert, listet Maier die Postanstalten nicht in alphabetischer Reihenfolge, sondern er geht den 13 Provinzen nach vor, die am 1. Juli 1853 bestanden.
In knapper Form gibt er zunächst allgemeine Informationen zu jeder Provinz, vorgestellt in einer handgezeichneten Landkarte mit den eingetragenen Postorten und einigen Fotos. Danach präsentiert er die jeweiligen Zeilenstempel auf ausgewählten, oft seltensten Belegen und kommentiert diese sachkundig einschließlich des berechneten Portos. Wo sinnvoll, fügt er Angaben zur Anzahl der bekannten Exemplare hinzu, oder er erklärt, weshalb noch keine Stempelabbildung geliefert werden kann.
Neuland betreten
Der zweite Teil des Buches ist als Katalog der Zeilenstempel konzipiert. Alphabetisch geordnet und durchnummeriert wird jeder einzelne in Originalgröße und -farbe abgebildet, zunächst mit Erläuterungen auf Spanisch, dann auf Deutsch. Die Erläuterungen geben an, in welcher Farbe der Stempel während der Markenzeit Verwendung fand und wann die betreffende Postanstalt einen Datumsstempel erhielt.
Nicht ohne Stolz weist Maier darauf hin, dass mit der Monografie Neuland betreten wird. „Abgesehen von Santiago, Valparaíso und Concepción ist der Bestand an Belegen sehr dürftig, ferner ist bei vielen Belegen das Datum nicht erhalten.“ Und selbst bei kompletten Texten ist die richtige Entzifferung alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Umso höher ist die Pionierarbeit des Autors einzuschätzen! Das Buch imponiert zudem einerseits durch seine gebündelten, präzisen Informationen, andererseits durch die Übersichtlichkeit, das gefällige Layout und die reiche Bebilderung.
„Die Schrift soll einen weiteren Baustein für das prosperierende Sammelgebiet Südamerika-Philatelie und -Postgeschichte bilden“, wünscht Binner im Vorwort. Dieses Ziel wird sie erreichen. Man darf dem Autor wie auch seinem Verein zur Herausgabe herzlich gratulieren.
Vorphilatelie der Republik Chile. 1.1.1818–30.6.1853. Von Jörg Maier. München 2023. 70 Seiten, Format: 19 x 27 cm, farbige Abb., Hardcover, Fadenbindung (Schriftenreihe des Münchener Briefmarken-Club e.V. Heft 11, herausgegeben mit Unterstützung der Corinphila Auktionen AG Zürich). Preis: 10 Euro zzgl. Versandkosten. Erhältlich beim Münchener Briefmarken-Club: www.mbc1905.de/publikationen/.
Rainer von Scharpen
Titelabbildung: Brief vom 14. Februar 1852 (Referenzdatum), in Santiago angekommen am 27. Februar 1852. Das Porto betrug 2 Reales. Es sind nur drei Belege bekannt. Die Ortschaft VILLA REINA LUISA DE PARRAL in der Provinz Maule, Hauptstadt des gleichnamigen Departamento, ist eine Neugründung durch Ambrosio O’Higgins, gelegen an der Route nach Chillan (Provinz Ñuble).