Über das Kuriosum Kleinwalsertal

Über das Kuriosum Kleinwalsertal

Das Kleinwalsertal ist nicht, wie irrtümlich oft angenommen, eine Enklave im strengen Sinn – dann müsste es wie z.B. Büsingen ganz von fremdem Staatsgebiet umschlossen sein –, sondern eine geografische bzw. funktionale Exklave Österreichs, die nur von Bayern aus zugänglich ist. Seit jeher österreichisches Staatsgebiet, wurde das Tal 1891 mit der Gemeinde Mittelberg und den damals 1282 Einwohnern vertraglich deutsches Zollanschlussgebiet. Im Tal arbeiteten drei Postämter: in Riezlern (1100 m), Hirschegg (1150 m) und Mittelberg (1218 m).
Der Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich am 13. März 1938 brachte eine bedeutsame Veränderung: Mittelberg wurde aus dem Bezirk Bregenz/Vorarlberg herausgelöst und dem Landkreis Sonthofen/Bayern zugeschlagen. Das komplizierte die Lage nach Ende des Krieges, denn nun gehörte Vorarlberg zur Französischen Zone, Bayern hingegen war der amerikanischen Militärregierung unterstellt, und die Beziehungen zwischen den beiden Mächten waren nicht die innigsten.

Komplizierte Verhältnisse

Nicht weniger kompliziert als die politischen waren auch die postalischen Verhältnisse. In wiederholten Sitzungen wurden zwischen den beteiligten Staaten bzw. Verwaltungen zu Kurierdiensten, Laufwegen, Zuständigkeiten, Anerkennung und Gültigkeit von Postwertzeichen usw. Vereinbarungen ausgehandelt. In der unmittelbaren Nachkriegszeit, die hier betrachtet wird, hatten die durch Kompromisse gefundenen Regelungen häufig ein sehr schnelles Verfallsdatum.
Akten der französischen Militärregierung von Vorarlberg und ihrer Unterorganisation im Kleinwalsertal sind verschollen und erlauben es daher nicht mehr, die französische Sichtweise nachzuvollziehen. Nur wenig besser steht es mit österreichischen Archivquellen. Viele die Postverhältnisse in Bayern betreffende Archivalien gingen bei Umstrukturierung und Auflösung von Einrichtungen verloren. So werden in der Studie vorrangig Ulrich Nachbaurs Angaben in dessen Werk Vorarlberger Territorialfragen 1945–1948 übernommen. Als Glücksfall für Winkler erwies sich das ab Mai 1945 vollständig erhaltene Amtsblatt der Gemeinde Mittelberg, das er intensiv auswertete.

Detaillierte Aufstellung

Entlang von Aktenvermerken und Auszügen aus dem Amtsblatt, die häufig als Faksimile wiedergegeben werden, versteht es der Autor, eine sehr detaillierte Aufstellung der zeitlichen Abfolge von Bestimmungen und Verfügungen zu erstellen. Das Ganze untermauert er mit Abbildungen von aussagekräftigen Belegen aus der eigenen Sammlung und Leihgaben einer ganzen Reihe von Sammlern und auch Auktionshäuser.
„Wenn ein sehr kleiner Ausschnitt eines Sammelgebiets schon deshalb aus dem Durchschnittlichen herausragt, weil es daraus nur wenige Belege gibt, kann man eine möglichst umfassende Darstellung nicht ohne die Hilfe Dritter zustande bringen“, leitet er seine Danksagung ein. Erwähnt werden sollte die tabellarische Übersicht der maßgeblichen Gebühren für den Postkarten- und Briefverkehr (bis 20 g) für die Zeit von Kriegsende bis 31. Oktober 1946, sowohl für Ortssendungen wie auch Fernsendungen nach Deutschland und Österreich.

 

In die Sonderschrift fließen viele Fakten und Ausführungen zur Geschichte, Geografie, Bevölkerung oder Wirtschaftslage usw. ein, die über die Philatelie hinausgehen und das Bild des Kleinwalsertals sinnvoll abrunden und ergänzen. Deshalb dürfte die flüssig geschriebene, lesenswerte Studie neben Postgeschichtlern und Deutschland- wie Österreichsammler allgemein auch gern von jenen Philatelisten zur Hand genommen werden, die sich für das Ausgefallene oder am Rande Liegende interessieren.
Die Post im Kleinwalsertal 1945/1946 − Ein postgeschichtlicher Sonderfall. Von Karl-Rudolf Winkler. Würzburg: Eigenv., 2023. Format: DIN A5, Softcover, 140 Seiten, farbige Abb. (AM-POST Sonderschrift Nr. 8). Preis: 29 Euro. Bezug: K.-D. Kraft, Schubertstr. 17, 40724 Hilden, Tel. 02103 / 334601, E-Mail: kraft@arge-am-post.de.

Rainer von Scharpen

Authored by: redaktiondbz

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