Nicht nur heitere Spiele
So richtig wollte es zunĂ€chst auch Hans-Jochen Vogel, der damalige MĂŒnchner OberbĂŒrgermeister, nicht glauben, als IOC-PrĂ€sident Avery Brundage am 26. April 1966 im Hotel Excelsior in Rom verkĂŒndete, dass MĂŒnchen im zweiten Wahlgang als Austragungsort fĂŒr die Olympischen Sommerspiele 1972 auserkoren wurde. Dass die Begeisterung schnell Wellen schlug, wurde schon deutlich, als die LH-Maschine D-BIBI âHerald of Munichâ wieder zurĂŒckkam â dekoriert mit den Olympischen Ringen!
Die folgenden Jahre sollten die bayerische Landeshauptstadt verÀndern, deutlich sichtbar etwa am Ausbau des U-Bahnnetzes. Im Mai 1967 begann man mit dem Bau der U3, die spÀter zum Olympiazentrum fahren sollte. Das dortige Areal, das Oberwiesenfeld, wurde vom alten MilitÀrareal und Flugplatz zum baukulturellen Meisterwerk in eine beeindruckende Parklandschaft umgestaltet, dem Olympiapark.
Nach der Konstituierung des Olympischen Komitees unter Vorsitz von Willi Daume gehörte es zu den ersten Aufgaben, ein visuelles Erscheinungsbild zu schaffen, heute unter dem Begriff Corporate Identity gelĂ€ufig. Mit Otl Aicher, dem MitbegrĂŒnder der Hochschule fĂŒr Gestaltung (HfG) in Ulm, fand er dabei den richtigen Partner. Ihm gelang es, in Abgrenzung zu den missbrauchten Spielen von Berlin 1936, ein neues, frisches und modernes Image fĂŒr die Sommerspiele 1972 zu entwerfen, von dem die Sammler heute viele Zeugnisse haben.
In seiner Werkstatt arbeitete auch Elena Winschermann, die das erste, âWaldiâ genannte Maskottchen fĂŒr Olympische Spiele entwarf, nachdem es in Grenoble 1968 mit âShussâ erstmals einen vagen VorstoĂ in diese Richtung gab. Dies begrĂŒndete ein neues Sammelgebiet fĂŒr Fans.
Die Piktogramme aus Aichers Werkstatt finden sich auf Stempeln und Belegen ebenso wie die Strahlenspirale, hÀufig auf den Postkarten mit den attraktiven Plakatmotiven.
Auch auf anderen Gebieten waren Ideen gefragt, wie (nicht nur) das Budget aufgebessert werden konnte. Davon profitierten auch die Numismatiker und GlĂŒckspilze, die an den Olympialotterien teilnahmen. Zur Erhöhung der Chancen der bundesdeutschen Sportler wurde 1967 die Stiftung Deutsche Sporthilfe unter Vorsitz von Josef Neckermann ins Leben gerufen. Daume wiederum war es, der mit dem damaligen âBundespostministerâ StĂŒcklen vereinbarte, zwischen 1968 und 1972 fĂŒnf Zuschlagserien zugunsten der Stiftung aufzulegen. Hier kamen die Philatelisten ins Spiel und trugen so ihr Scherflein zur UnterstĂŒtzung des Leistungssports bei. Der Erlös aus der Philatelie belief sich auf beachtliche 27,9 Millionen DM.
Dank einer Initiative der FG âSonderpostĂ€mterâ im Jahr 1969 gab es die Einschreibnummernzettel mit zusĂ€tzlichem âOlympiaâ-Eindruck, die groĂen Anklang fanden â von knapp 100?000 aufgelieferten Einschreibbriefen wurde berichtet.
Deutsch-deutscher Wettlauf
Sportlich hatten die MĂŒnchner Spiele viel zu bieten, hatten ihre Helden, allen voran den US-Schwimmer Mark Spitz, der sieben Goldmedaillen (Einzel und Staffel) gewann. Unvergessen ist auch der 3. September, als im Olympiastadion Klaus Wolfermann (Speerwurf), Hildegard Falck (800-Meter-Lauf) und Bernd Kannenberg (50 Kilometer Gehen) drei Goldmedaillen fĂŒr das bundesdeutsche Team errangen. FĂŒr die DDR, erstmals mit eigener Flagge bei Sommerspielen antretend, standen unter anderem die Leichtathleten Renate Stecher, Monika Zehrt und Ruth Fuchs sowie Turnerin Karin Janz auf dem obersten Treppchen.
Diesen besonderen Prestigekampf um die meisten Goldmedaillen gewann ĂŒbrigens die DDR mit 20 zu 13 und lag damit als Dritter einen Platz vor der Bundesrepublik im Medaillenspiegel.
Die DDR-FuĂballer steuerten allerdings ânurâ Bronze bei. Im Spiel um Platz 3 mussten sie wie die Kontrahenten aus der UdSSR nach dem 2:2 in den restlichen Minuten der VerlĂ€ngerung ein Pfeifkonzert ĂŒber sich ergehen lassen. Beide wollten die Medaille, und da damals kein ElfmeterschieĂen zur Entscheidung fĂŒhrte, stellten beide Teams ihre AngriffsbemĂŒhungen ein â und wurden dafĂŒr jeweils mit Bronzemedaillen belohnt.
Postkarte mit den Autogrammen der DDR-FuĂballer, entwertet mit dem Maschinenstempel des Olympischen Dorfes am 1. August 1972 â an diesem Tag verlor die DDR ihr letztes Gruppenspiel gegen den spĂ€teren Sieger Polen (Sammlung R. Fritz).
Aus fĂŒr die heiteren Spiele
Der 5. September bedeutete mit dem Terroranschlag der PalĂ€stinenser das Aus fĂŒr die heiteren Spiele. Ăber die Ereignisse wurde umfassend berichtet. Sie sind noch heute in vielen Erinnerungen prĂ€sent. An drei Orten im Olympischen Dorf und Olympiapark gedenkt man heute der elf israelischen Opfer und des deutschen Polizisten, die â bis auf Ringertrainer Moshe Weinberg, erstes Opfer im Olympischen Dorf â bei der missglĂŒckten Befreiungsaktion auf dem Fliegerhorst FĂŒrstenfeldbruck umkamen. Nach dem Attentat wurden die Spiele fĂŒr einen halben Tag unterbrochen.
Avery Brundages nicht widerspruchslos aufgenommene Aufforderung âThe games must go on!â bei der Gedenkveranstaltung vor 80 000 Zuschauern im Olympiastadion machte deutlich, dass den Terroristen nicht erlaubt werden sollte, auch noch die Spiele zu ermorden.
Die Unterbrechung der Sommerspiele sorgte fĂŒr eine Verschiebung um einen Tag. Da die Sonderstempel nicht kurzfristig erneuert werden konnten, trĂ€gt der Stempel zur Schlussfeier das falsche Datum.
Was bleibt?
Die Idee der Sporthilfe-Zuschlagsmarken hat den Leistungssport nachhaltig unterstĂŒtzt, auch wenn heute die Briefmarken nur einen geringen Anteil zum Budget beitragen. Das von der Sporthilfe selbst aufgelegte Programm personalisierter Marken, das sich direkt an die Sportfans wendet und aktuelle Erfolge des deutschen Sports âphilatelistisch dokumentiertâ kann daran nur wenig Ă€ndern.
Die Vergabe der Spiele an MĂŒnchen hat die Sportsammler mobilisiert und ihnen in der IMOS (Internationale Motivgruppen Olympiaden und Sport) bis heute eine Heimstatt geboten.
Last but not least: MĂŒnchen hat mit dem Olympiapark ein architektonisches und baukulturelles Meisterwerk geschaffen, das bis heute ein wichtiger Anziehungspunkt fĂŒr Besucher der Stadt ist und â noch wichtiger â von den MĂŒnchner selbst angenommen wird. Mit vielfĂ€ltigen Ausstellungen und Veranstaltungen zelebriert die Stadt das Olympiajahr â auch wenn die Wunden des 5./6. Septembers noch immer nicht gĂ€nzlich verheilt sind.
Literatur:
Karl Biernat, Die Olympischen Spiele 1972 in MĂŒnchen, in: Post- und Telekommunikationsgeschichte, Heft 2/1996, ISSN 0947-9945
Volker Kluge, Hat die Sportbriefmarke noch eine Zukunft? in: IMOS-Sonderheft 2017
IMOS-Sonderheft 2022, MĂŒnchen 1972 â Teile 1 und 2
Text: Thomas Lippert
Briefmarken VierlÀnderkatalog 2024
ISBN: 978-3-902662-72-9
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