Praxistipp: Kostenexplosion bei Warensendungen
Sammler, die in den letzten Monaten Postwertzeichen oder Belege in einem Land auĂerhalb der EuropĂ€ischen Union bestellt haben, machten lange Gesichter als beim Empfang der Sendung noch zusĂ€tzliche GebĂŒhren abkassiert wurden.
Gerade bei den in der Philatelie ĂŒblichen Kleinbestellungen schlagen diese deutlich spĂŒrbar zu Buche. Bei genauerer PrĂŒfung stellt man fest, dass sich der zu zahlende Betrag aus âZollâ und einer Auslagepauschale zusammensetzt. Hinter dem Begriff âZollâ verbirgt sich bei einem Warenwert unter 150 Euro aber nur die Einfuhrumsatzsteuer. Dass aus Nicht-EU-LĂ€ndern eingefĂŒhrte Warensendungen dieser in der Regel unterliegen, ist eigentlich nichts Neues, doch seit dem 1. Juli 2021 ist die zuvor geltende Freigrenze fĂŒr Waren mit einem Wert bis zu 22 Euro weggefallen. Auf die Erhebung dieser Steuer wird fortan nur noch verzichtet, wenn der Erlös unter einem Euro liegen wĂŒrde.
ErmĂ€Ăigte Einfuhr
FĂŒr Briefmarken, Ersttagsbriefe, Ganzsachen und dergleichen als SammlungsstĂŒcke gilt der ermĂ€Ăigte Steuersatz von 7 Prozent. Hier kommt es aber immer wieder zu UnregelmĂ€Ăigkeiten, wie uns Leser berichteten, einmal kam der ermĂ€Ăigte, ein andermal wieder der volle Steuersatz in Höhe von 19 Prozent zur Anwendung.
Auf Anfrage teilte uns die Generalzolldirektion Bonn mit, dass âUmsĂ€tze mit SammlungsstĂŒcken (inklusive Briefmarken) […] im Rahmen von Einfuhren begĂŒnstigt sind [âŠ]. Im Inland ausgefĂŒhrte Lieferungen und innergemeinschaftliche Erwerbe von SammlungsstĂŒcken unterliegen dem allgemeinen Umsatzsteuersatz von 19 Prozent.â Voraussetzung fĂŒr die Anwendung des ermĂ€Ăigten Steuersatzes sei, dass Briefmarken als SammlungsstĂŒcke mit den entsprechenden Warennummern â die sogenannte Codenummer des elektronischen Zolltarifs â 4907â 0010â 00â 3 oder 9704â 0000â 00â 1 angemeldet werden. Doch wie die Abbildungen zeigen, wurde ungeachtet korrekter Deklarierung einmal der volle Steuersatz erhoben. In so einem Fall kann beim zustĂ€ndigen Hauptzollamt die Erstattung der Einfuhrabgaben beantragt oder aber auch fristgerecht Einspruch eingelegt werden. Der Sitz der Behörde ist dem Abgabenbescheid zu entnehmen oder beim Beförderer zu erfragen.
Zoll digital
Die Redaktion des BRIEFMARKEN SPIEGEL vermutet, dass eine solche falsche Besteuerung auf die hohe zusĂ€tzliche Belastung der Zollbehörden seit dem Wegfall der 22-Euro-Freigrenze zurĂŒckzufĂŒhren ist. Verbesserungen wird es aber womöglich schon zum 15. Januar 2022 geben, wenn zur Bearbeitung von Warensendungen unter 150 Euro die eigens entwickelte Software âAtlas-Impostâ in Betrieb genommen wird. Zollanmeldungen werden dann grundsĂ€tzlich nur noch in elektronischer Form möglich sein. Es bleibt zu hoffen, dass dieser âAtlasâ das hohe Postaufkommen klaglos auf seinen Schultern wird stemmen können. Falsche Besteuerungen sollten dann der Vergangenheit angehören.
Seit dem 1. Juli 2021 können sich HĂ€ndler mit Sitz in einem Nicht-EU-Land im neuen Mehrwertsteuersystem der EuropĂ€ischen Union registrieren. Dieser IOSS (Import One-Stop-Shop) ist eine zentrale Anlaufstelle fĂŒr Importe in die EU. Wenn Sie bei einem solchen registrierten HĂ€ndler einkaufen, bezahlen Sie die anfallende Einfuhrumsatzsteuer gleich mit, und der HĂ€ndler fĂŒhrt diese unmittelbar an die zustĂ€ndigen Steuerbehörden ab.
Auslagepauschale ade
Wenn in einer fernen Zukunft einmal alle HĂ€ndler im IOSS registriert sind, werden SendungsempfĂ€nger keine Auslagepauschale mehr bezahlen mĂŒssen. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg. Bei der Einfuhr von Warensendungen in die EU wird die Einfuhrumsatzsteuer nĂ€mlich sofort zur Zahlung fĂ€llig. Treten Deutsche Post oder DHL als Beförderer auf, bezahlen diese die Steuer direkt an den Zoll und fordern sie anschlieĂend beim EmpfĂ€nger wieder ein. FĂŒr das Auslegen des fĂ€lligen Steuerbetrags wird eine Pauschale in Höhe von 6 Euro erhoben, unabhĂ€ngig vom Warenwert. Wer nicht allzu weit entfernt von der örtlichen Zolldienststelle wohnt, kann sich bei der Deutschen Post oder DHL formlos als Selbstverzoller registrieren (www.dhl.de, Stichwortsuche âSelbstverzollerâ) und kĂŒnftig alle zollpflichtigen Sendungen beim Zoll persönlich abholen (unbedingt binnen einer Woche, da sonst LagergebĂŒhren drohen), die Auslagepauschale entfĂ€llt dann. Falls die Verzollung trotz Registrierung fĂŒr Sie durchgefĂŒhrt wurde, finden Sie auf der Seite auch die Möglichkeit, sich die Auslagepauschale zurĂŒckerstatten zu lassen.
Sammelfreundschaften
Die eleganteste Lösung zur Vermeidung jeglicher ZusatzgebĂŒhren sind Sammelfreunde im Nicht-EU-Ausland, die selbst deutsche Briefmarken oder Belege sammeln. Zum Geburtstag oder zu Weihnachten können sich diese dann gegenseitig ausgewĂ€hlte StĂŒcke des jeweiligen Sammelgebietes schenken lassen. Geld darf zwischen Sender und EmpfĂ€nger allerdings nicht flieĂen, da sonst die Belege zollrechtlich keine Geschenke mehr sind. Gleiches gilt auch fĂŒr Tauschsendungen. Warensendungen, die Geschenke enthalten, sind dagegen bis zu einem Wert von 45 Euro von der Einfuhrumsatzsteuer befreit. Und da nichts verzollt werden muss, fĂ€llt auch keine Auslagepauschale mehr an.
Bei der Vermittlung von Sammlerkontakten im Ausland helfen Ihnen die Vereine und Arbeitsgemeinschaften sicher gerne. Anfragen kostet nichts.
EU-Ausland
Bei Bestellungen innerhalb der EU fallen in der Regel weder Einfuhrumsatzsteuer noch GebĂŒhren an, da freier Warenverkehr besteht. Sammler bezahlen hier lediglich die Umsatzsteuer des jeweiligen Mitgliedstaates, die bereits im Kaufpreis enthalten ist, und bei kleineren Bestellungen auch die Portokosten. Einen Ăberblick ĂŒber alle derzeit geltenden SteuersĂ€tze zur Warenkategorie âPostageâ (Briefmarken, Stempelmarken, Steuerzeichen) gibt die EuropĂ€ische Kommission auf ihrer Homepage: Belgien (21 Prozent), Bulgarien (20 Prozent), DĂ€nemark (25 Prozent), Estland (20 Prozent), Finnland (24 Prozent), Frankreich (5,5 Prozent), Griechenland (24 Prozent), Irland (23 Prozent), Italien (10 Prozent), Kroatien (25 Prozent), Lettland (21 Prozent), Litauen (21 Prozent), Luxemburg (8 Prozent), Malta (18 Prozent), Niederlande (9 Prozent), Ăsterreich (20 Prozent), Polen (8 Prozent), Portugal (23 Prozent), RumĂ€nien (19 Prozent), Schweden (25 Prozent), Slowakei (20 Prozent), Slowenien (9,5 Prozent), Spanien (10 Prozent), Tschechien (21 Prozent), Ungarn (27 Prozent) und Zypern (19 Prozent).
FĂŒr verschiedene Regionen einzelner EU-Mitgliedstaaten gelten allerdings besondere Bestimmungen. Zoll- und steuerrechtlich wird dabei zwischen sogenannten DrittlĂ€ndern und Drittgebieten unterschieden. Ein- fuhren aus diesen Regionen unterliegen grundsĂ€tzlich der deutschen Einfuhrumsatzsteuer. Bei dort bestellten Briefmarken oder Belegen fĂ€llt daher zusĂ€tzlich der ermĂ€Ăigte Steuersatz in Höhe von 7 Prozent an.
DrittlĂ€nder sind Gebiete, die zwar zum Staatsgebiet einzelner EU-Mitgliedstaaten gehören, nicht aber zum Zollgebiet der EuropĂ€ischen Union. Drittgebiete gehören zwar zum EU-Zollgebiet, nicht aber zum Umsatzsteuergebiet der EuropĂ€ischen Union. Zu den DrittlĂ€ndern gehören FĂ€röer und Grönland (DĂ€nemark), Helgoland und das Gebiet von BĂŒsingen (Deutschland), Neukaledonien, Wallis und Futuna, Französisch Polynesien, Saint-BarthĂ©lemy, St. Pierre und Miquelon (Frankreich), Livigno (Italien), Aruba, Bonaire, Curaçao, Sint-Maarten, Saba, Sint Eustatius (Niederlande), Ceuta, Melilla (Spanien), der tĂŒrkische Teil Zyperns (Zypern). Drittgebiete sind dagegen die Ă landinseln (Finnland), Guadeloupe, Martinique, La RĂ©union, Französich-Guyana, Mayotte, Saint Martin (Frankreich), der Berg Athos (Griechenland), Campione dâItalia, der Teil des Luganer Sees zwischen Ponte Tresa und Porto Ceresio (Italien) und die Kanarischen Inseln (Spanien).
Unsere Spartipps im Ăberblick
âą Erfragen Sie vor Ihrer Bestellung, ob der HĂ€ndler im IOSS-System (Import One-Stop-Shop) registriert ist.
Ja:âSie bezahlen die Einfuhrumsatzsteuer bereits mit dem Kaufpreis und können sich entspannt zurĂŒcklehnen.
Nein:âIhre Sendung muss vom Zoll eigens bearbeitet werden.âą Erkundigen Sie sich, wie weit es von Ihnen bis zum nĂ€chsten Zollamt ist. WĂ€re die Abholung Ihrer Sendung problemlos fĂŒr Sie möglich?
Ja:âRegistrieren Sie sich auf www.dhl.de als Selbstverzoller und bitten Sie um eine schriftliche BestĂ€tigung. Sie erhalten eine Benachrichtigung sobald Ihre Sendung eingetroffen ist. Holen Sie diese binnen einer Woche (!) beim örtlichen Zollamt ab. PrĂŒfen Sie vor der Bezahlung, ob ihre Sendung mit 7 Prozent versteuert wurde und reklamieren Sie gegebenenfalls.
Nein: Die Deutsche Post legt Ihnen die anfallende Einfuhrumsatzsteuer aus und berechnet hierfĂŒr eine Auslagepauschale in Höhe von 6 Euro. Beim Empfang der Sendung muss diese zusammen mit der Einfuhrumsatzsteuer sofort bezahlt werden.âą PrĂŒfen Sie auch hier den Steuersatz und reklamieren Sie gegebenenfalls. Da die Pauschale fĂŒr jede Sendung anfĂ€llt, sind gröĂere Sammelbestellungen zu empfehlen.
âą Falls Ihnen ungeachtet der Registrierung als Selbstverzoller die Auslagepauschale berechnet wird, können Sie sich diese auf www.dhl.de zurĂŒckerstatten lassen. Geben Sie die Sendungsnummer an und weisen Sie auf Ihre getĂ€tigte Registrierung hin.
âą Sammelfreundschaften im Nicht-EU-Ausland lohnen sich: Geschenksendungen sind bis zu einem Warenwert von 45 Euro steuerfrei.
Skandinavien 2024/2025
ISBN: 978-3-95402-480-3
Preis: 74,00 âŹ
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