Im Gespräch: Der Finne auf dem Flohmarkt …

Im Gespräch: Der Finne auf dem Flohmarkt …

Jonas Staab ist leidenschaftlicher Sammler und schreibt darüber. Soweit ist das noch nichts Besonderes – doch der Allgäuer ist noch keine 30 Jahre alt und fasziniert von der Philatelie. Als er einen finnischen Händler auf dem Flohmarkt kennengelernt hatte, nahm seine Leidenschaft so richtig Fahrt auf. Aufgewachsen im idyllischen Allgäu mit deutschen und norwegischen Wurzeln war Jonas Staab mit elf Jahren manchmal langweilig und er begann Briefmarken zu sammeln.

Jonas Staab auf einer persona­lisierten Marke Österreichs. Der Bogen war Gewinn beim Publikumswettbewerb „Schönste Briefmarke 2018“. „Das Foto musste ich schnell einsenden, daher hat es mein Kumpel David spontan gemacht“, so der junge Sammler.

Herr Staab, wie reagiert Ihr Umfeld auf Ihr heutzutage für junge Menschen nicht mehr alltägliches Hobby?

Negative Kommentare und Bemerkungen gibt es da nicht, vielmehr bekomme ich von vielen Bekannten Postkarten und Briefmarken für meine Sammlung. Und unter meinen Tauschpartnern sind ohnehin die meisten noch jünger als ich.

Das klingt fast unglaublich. Immer heißt es, dass die Philatelie überaltert und es keinen Nachwuchs gibt. Wie passt Ihre letzte Aussage in dieses Bild?

Nun ja, die Überalterung ist wohl vor allem das Problem der organisierten Philatelie. Ich tausche mich über Twitter und Postcrossing mit Briefmarkenfans in der ganzen Welt aus.

Wie geht das vonstatten?

Auf Twitter sind auch sehr viele junge Sammler unterwegs. So konnte ich weltweit schon viele interessante Kontakte knüpfen und damit meine Sammlung erweitern. Postcrossing ist ein spannender analoger Weg, um auch in Pandemiezeiten Kontakte in die ganze Welt zu pflegen. Die direkte Verbindung zum Beispiel vom Allgäu nach Assam oder wohin auch immer. Menschen in der ganzen Welt, mit ganz unterschiedlichen Schnittpunkten haben so Kontakt. Einigen geht es um die Marken oder Stempel, anderen um die Kartenmotive, wieder anderen um den Kontakt an sich.

An all das konnten Sie aber bei Ihrem Einstieg in die Philatelie noch nicht denken. Wie sind Sie ans Sammeln gekommen?

Weil ich schon sehr früh lesen konnte war die Schule in den ersten Jahren keine Herausforderung für mich. Daher hatte ich oft Langeweile.

Als Kind fand ich aber die Briefmarkensammlung meines Opas – den ich leider nicht mehr kennengelernt habe – faszinierend. Ich habe dann auch begonnen, Marken aus der Tagespost in ein Einsteckbuch zu ordnen und wollte auch wissen, wer und was hinter den Markenmotiven stand: Wer sind die Frauen der Geschichte, welche Bedeutungen haben die Sehenswürdigkeiten auf den Postwertzeichen?

Wie ging es dann weiter?

Mit dieser Schweizer Briefmarke aus Holz verbindet er immer eine Klassenfahrt nach Graubünden, als er in Juf (höchstes Dorf Europas, 2216 Meter) im Avers-Tal diese Ausgabe kaufte. Viele seiner Klassenkameraden waren ziemlich erstaunt, was es alles für Briefmarken gibt (MiNr. 1889).

Richtig geweckt wurde meine Sammelleidenschaft von einem finnischen Händler auf dem Flohmarkt. Er hatte dort immer seinen Stand und ich ging hin und redete mit ihm auf Englisch. Er erklärte mir viel, schenkte mir auch einige Briefmarken und weckte mein Interesse für finnische Ausgaben und ganz besonders für sein Herkunftsland.

Was sammeln Sie heute?

Ich habe die deutschen Marken von 1990 bis heute postfrisch komplett. Außerdem sammle ich europäische Marken ab 1990 echt gelaufen und echt gestempelt komplett. Sehr interessant sind auch die europäischen Marken nach dem Fall des Eisernen Vorhangs. Viele Länder stellten sich in dieser Zeit auch philatelistisch neu auf. Und natürlich pflege ich besonders meine Finnland-Sammlung. Zudem habe ich noch eine thematische Sammlung zu den Olympischen Sommerspielen 1972.

Was fehlt Ihnen in Ihrer Sammlung?

Schmerzhafte Lücken sind einige „merkwürdige“ Blockausgaben aus kleinen Ländern in Osteuropa.

Helfen Ihnen bei solchen Lücken Ihre internationalen Kontakte?

Bei diesen speziellen Dingen ist das schwierig, aber natürlich bekomme ich auch immer wieder aus dem Ausland schöne Stücke zugeschickt. Das kommt meist überraschend und freut mich dann sehr.

Dass die Universität Wien eine Briefmarke in Österreich bekam, ist für den Studenten keine große Überraschung. Die österreichische „Hauptuni“ ist für ihn ein schöner Ort zum­ ­Lernen und Arbeiten. Die Abende mit Kom­militonen und Treffen mit Postcrossern sind eine willkommene Abwechslung zum Uni-Alltag (MiNr. 3205).

Was sind aktuelle Themen in den Online-Tauschbörsen?

Im Moment interessieren sich meine Freunde aus Taiwan und China, aber auch aus den Niederlanden vor allem für die neuen Matrixcode-Marken und die blauen Poststempel.

Wie stehen Sie und die InternetCommunity dem organisierten Sammeln gegenüber?

Das ist für die meisten eine Parallelwelt. Das Sammeln nach den eigenen Vorstellungen steht bei ihnen im Mittelpunkt. Für mich ist das eigentlich sehr ähnlich. Allerdings gehe ich auch gerne auf Messen. Einmal überraschte mich sogar ein ZDF-Team und stellte mir die Frage: „Was machen Sie als junger Mensch denn auf einer Briefmarken-Messe?“ Das war schon spannend.

Auf der Finlandia 2017 in Tampere habe ich zum Beispiel auch Dieter Stephan von der Deutschen Post kennengelernt. Durch ihn bin ich auch Mitglied in seinem Hamburger Briefmarkenverein geworden. Und nicht zuletzt bin ich dadurch auch jüngstes Mitglied im BDPh.

Der „Kniefall von Warschau“ zählt für Jonas Staab zu den wichtigsten Punkten der deutschen Nachkriegsgeschichte, da Willy Brandt dadurch den Weg für unser heutiges Europa in Frieden gelegt hat. Ihn freut daher die Blockausgabe von 2020 besonders (MiNr. Bl. 87).

… und auch in Österreich sind Sie aktiv. Wie kam es dazu?

Ich habe zunächst Politikwissenschaften an der Wiener Universität studiert und bin dort jetzt für Fennistik/Finnische Philologie eingeschrieben. Gerne gehe ich hier auch zu den philatelistischen Veranstaltungen. Aufgrund meines Alters wurde die Österreichische Post auf mich aufmerksam und so wurde ich auch zum meines Wissens jüngsten Mitglied im VÖPH.

Stichwort Österreich: Mit den Kryptomarken geht die Post dort neue, nicht von allen befürwortete Wege. Wie stehen Sie dem gegenüber?

Ich wurde zur Ausgabe der ersten Kryptomarke eingeladen. Das war schon etwas Besonderes für mich. Viel Prominenz war vor Ort. Abgesehen von den teuersten Versionen habe ich auch die neuen Kryptomarken in meiner Sammlung. Ich finde die Technologie sehr spannend. (Lacht) Auch wenn ich sie nicht verstehe. Wichtig ist aber auch die dadurch entstandene mediale Aufmerksamkeit für die Philatelie.

Apropos Aufmerksamkeit für die Philatelie – wie geht es weiter mit der Philatelie?

Das Wichtigste sollte für alle die Freude an der Philatelie sein. Die Faszination sollte auch an den Geschichten hinter den Marken stecken. Ich habe so viel über die Motive gelesen und gelernt, dass mich manche als „lebendiges Lexikon“ bezeichnen. (Lacht) Für mich ist meine Sammlung daher keine Wertanlage, sondern einfach ein unglaublich bereicherndes Hobby.

Wie sollte ein Kind einsteigen?

Kinder sollten nicht angeleitet werden. Sie sollten die ersten Schritte nach ihrem eigenen Geschmack machen und einfach die Freude und Faszination spüren.

Vielen Dank für das Gespräch!


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Authored by: Stefan Liebig

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