Zinnober alleine in der Nacht
Ich hatte ja erzählt, dass ich aus dem Altpapier meines Nachbarn einen Karton mit Briefen gerettet hatte (BMS 4/2021). Aber die Sache hatte noch ein Nachspiel: Er hatte mich beobachtet und stellte mich einige Tage später zur Rede, was das denn sollte.
Naja, es war dann wohl doch ganz okay für ihn, denn er hatte ja auch mal Briefmarken gesammelt. Als er wegen des Hausverkaufs nochmal in der Stadt war, kam er eines Vormittags vorbei und drückte mir ein dünnes Album in die Hand. Grinsend sagte er: „Damit Du nicht wieder im Altpapier wühlen musst.“ Und schon war er wieder verschwunden.
Ich legte das Album zur Seite und zockte noch ein wenig Philacraft an meinem PC. Als ich fertig war, griff ich zu dem Album. Alter: Das war ja alles Bayern. Altdeutschland! Sofort stopfte ich mein Album in den Rucksack und skatete durch die stockdunkle Nacht zu Dr. Phil.
Ich klingelte wie ein Wahnsinniger. Aber Dr. Phil brauchte schon sehr lange, bis er Licht machte und runter kam. Seinen vorwurfsvollen Blick ignorierte ich. Woher soll ich wissen, wann seine Schlafenszeiten sind? Ich zeigte meinen sensationellen Neuzugang. Er verstand offenbar nicht recht und so schüttelte ich ihn an den Schultern und rief: „Bayern!!!“
Er blätterte durch das Album und sagte: „Kein Schwarzer Einser. Keine 12-Kreuzer. Keine Zusammendrucke. Komm morgen wieder.“ Dann schloss er die Tür und ließ mich einfach so stehen. Mitten in der Nacht lässt er mich einfach vor der Tür stehen. Behandelt man so seine Freunde? Enttäuscht skatete ich nach Hause.
Dr. Phil informiert:
Die deutschen Sammelgebiete, die vor der Gründung des Deutschen Reichs 1871 bestanden, nennt man Altdeutschland. Aus diesen Sammelgebieten stammen viele der größten Seltenheiten und teuersten Briefmarken der deutschen Philatelie. Aber das heißt noch lange nicht, dass alle diese Sammelgebiete nur etwas für Sammler mit sehr viel Geld sind.
Offenbar gehört Zinnober zu denjenigen Menschen, die aus der Tatsache, dass auf dem Schwarzen Einser „Bayern“ steht, ableiten, dass alle Marken aus Bayern wertvoll sind. Nein, sind sie nicht. Nach einem ausgiebigen Spaziergang stand ich dann am nächsten Tag um 7 Uhr ausgeschlafen mit einer Tüte Croissants bei Zinnober vor der Tür. Komisch, ich hätte gedacht, er freute sich etwas mehr, mich zu sehen.
Naja, das lag wohl daran, dass er schon ahnte, dass das Album nicht so toll ist. Bayern hat natürlich den „Schwarzen Einser“, die erste deutsche Briefmarke, im Programm. Und auch noch eine weitere Briefmarke (MiNr. 26) geht ganz gut ins Geld. Genauso sind Zusammendrucke teuer. Aber ansonsten sind da viele Ausgaben wirklich erschwinglich. Natürlich gibt es Plattenfehler, seltene Stempel und so weiter.
Aber das heißt noch lange nicht, dass Bayern nur was für Sammler mit sehr viel Geld ist. Natürlich wird das Taschengeld bei zahlreichen Ausgaben arg strapaziert, denn im Briefkasten findet man die Marken ja nicht und im Tausch geht da auch nicht gerade viel. Aber man braucht ja auch nur 200 Briefmarken, um alle Hauptnummern zusammen zu haben. Wenn man sich dann weiter spezialisiert, geht es allerdings ganz gut ins Geld.
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