Der Weg in die Vernichtungslager
Mit aussagekräftigen postalischen Dokumenten erinnert Heinz Wewer in seinem jüngsten Buch an das grausamste Verbrechen der deutschen Geschichte. Zunächst stellt er die Organisationsstrukturen der SS und des Reichssicherheitshauptamtes vor, die von Anbeginn aktiv die Shoah planten und umsetzten. Der vielfach vertretenen These von den Schreibtischtätern – Wewer setzt den Begriff in Anführungszeichen – stellt er die eindeutigen Aussagen der damaligen Machthaber gegenüber, die das Reichssicherheitshauptamt als „kämpfende Verwaltung“ betrachteten, wie es Reinhard Heydrich definierte. Zu Recht werden die in Berlin sitzenden Täter somit gleich SS-Angehörigen in den Vernichtungslagern als Mörder eingestuft. Alle verfolgten das gemeinsame Ziel, die systematische Ermordung der europäischen Juden.
Deren Weg in die Vernichtungslager beschreibt Wewer detailliert und reichhaltig belegt. Die Ghettos, in denen die Opfer des Faschimus bereits unter menschenunwürdigen Bedingungen leben mussten, widmet er ebenso viel Raum wie den Konzentrations- und Vernichtungslagern. Stets rückt er dabei die Perspektive der Opfer in den Fokus, lässt sie anhand erhalten gebliebener Postkarten und – seltener – Briefe zu Wort kommen. Fast immer stellten die Sendungen die letzten Lebenszeichen der Ermordeten dar, von denen vielfach das Todesdatum nicht genau bekannt ist. In Dokumenten wie den Aufzeichnungen der Gedenkstätte Yad Vashem oder auf den Stolpersteinen können daher vielfach nur Hinweise wie „Auschwitz Oktober 1944“ erscheinen.
Gezielte Vertuschung
Das ist auch auf die systematische Vertuschung des Massenmordes durch das Hitler-Regime zurückzuführen. Die Täter wussten von Anbeginn um das Verbrecherische ihres Handelns und suchten gezielt, die Spuren zu vernichten. Dies geschah nicht erst in den späteren Kriegstagen, als insbesondere die Rote Armee schnell vorrückte. Nein, die Vertuschung begann schon mit der Deklaration der Deportationen, die mit Arbeitseinsätzen im Osten erklärt wurden. Wie perfide das Regime dabei vorging, belegt die Deklaration Theresienstadts als jüdische Mustersiedlung. Die dorthin deportierten Juden gehörten zumeist einer Altersklasse an, bei der beispielsweise Nachbarn hätten bezweifeln können, dass sie zu Arbeitseinsätzen in den Osten umsiedelten. Die widerlichste Aktion der Massenmörder findet auch in der allgemeinen Literatur zur Shoah bislang wenig Widerhall, wie Wewer anmerkt. Die SS zwang Juden, im Angesicht des Todes Postkarten zu schreiben, in denen sie Freunden und Verwandten ein normales Leben vorspiegeln mussten. Sie seien gesund, bekämen gut zu essen und arbeiteten – dies mitunter sogar in ihren erlernten Berufen. Über die „Briefaktion des Reichssicherheitshauptamtes“ forschten und publizierten bislang vor allem Philatelisten und Postgeschichtler.
Mit seinem jüngsten Buch zeigt Heinz Wewer erneut auf, welche Möglichkeiten die Philatelie bietet, die historische Forschung und Aufklärung zu unterstützen. Ihm gelang ein weiteres Meisterwerk, das hoffentlich zahlreiche nicht nur philatelistische Bibliotheken bereichern wird.
Spuren der Vernichtung. Stationen der „Endlösung“ im Zeugnis postalischer Dokumente. Von Heinz Wewer. 232 Seiten, 273 Farbabbildungen, Format 23,5 x 28,5 cm, gebunden mit Festeinband. ISBN 978-3-95565-428-3. Preis: 29,90 Euro. Erhältlich im Buchhandel.
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