Ballonbriefe in die Deutschschweiz
An Literatur zur Ballonpost während des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 besteht gewiss kein Mangel. Zahlreiche Werke und Fachartikel französischer Autoren stehen zur Verfügung, und für deutsche Leser immer noch hilfreich sind Wilhelm Hofingers Die älteste Luftpost der Welt (1957) und die beiden Darstellungen von Günther Heyd Paris par Moulins 1870/71 (1968) und Die Ballons von Paris 1870–71 (1970). Warum dann ein weiteres Werk?
Dieses Jahr feiert die aus einer Notlage geborene Pariser Luftpost ihren 150. Geburtstag, Anlass genug, sich intensiver mit einem Kapitel der Postgeschichte zu befassen, das von seiner Faszination nichts verloren hat. Der Autor hat dabei einen ganz persönlichen Zugang. Er konzentriert sich auf Ballonbriefe, die an Adressaten in der Deutschschweiz gingen. So wird aus der Pariser Postgeschichte gewissermaßen ein Stück Heimatgeschichte.
Knapp und genau wie ein Lexikon umreißt die Einleitung die historischen, militärischen und postgeschichtlichen Fakten, porträtiert kurz einige Piloten, erläutert Kriterien zur Bewertung der Briefe, verdeutlicht auf Landkarten die Aufstiegsorte der Ballons im Pariser Stadtgebiet und ihre Landeorte innerhalb oder außerhalb des von deutschen Truppen besetzten Territoriums, das Ganze begleitet durch geschickt ausgewählte Illustrationen.
Ballons und Brieftauben
Anschließend wird die eigene Sammlung präsentiert, bestehend aus 34 Briefen von 23 Ballons. In einem Steckbrief wird der betreffende Ballon vorgestellt, mit Aufstieg und Landung, Nennung der Piloten, Angaben zur beförderten Postmenge und gegebenenfalls der Zahl mitgeführter Brieftauben. Jeder Beleg wird vorder- und rückseitig abgebildet und kompetent erklärt mit Aufgabeort und -zeit, Stempeln, Frankatur und, wo möglich, dem Inhalt. „Beispiele für aussergewöhnliche ‚Ballons montés‘“ folgen: sechs weitere Belege, die durch Frankatur, Beförderungsweg, Seltenheit des beigefügten Journals oder die Besonderheit der Adresse die Qualität von „Spezialitäten“ besitzen.
Der Vollständigkeit halber stellt das abschließende Kapitel ebenso präzise jene Ballons vor, die bis dahin noch nicht Erwähnung fanden. Eine Seite mit Literaturangaben und sechs Links zu Internetseiten rundet die Ausführungen ab.
Mit neuen Erkenntnissen kann der Band nicht aufwarten. Dafür gefallen der originelle Ansatz, die sehr ansprechende Aufmachung und die kompakte, gut gegliederte und verständlich vermittelte Information. Der Autor beansprucht „keine unumstössliche Genauigkeit der Fakten“ und will Widersprüche in der vorliegenden Literatur nicht lösen, sondern er möchte, was ihm ganz sicher gelingt, „einen kleinen Anstoss geben“ zur Erörterung der philatelistischen und postalischen Bestimmung eines „Ballon monté“. Beeindruckend ist auf jeden Fall die Zahl der präsentierten Ballonbriefe Richtung Deutschschweiz, auch wenn das Exemplar mit der ungewöhnlichsten Frankatur, wie Kühne-Aubert bedauernd feststellt, nicht aus seiner Sammlung stammt. Verständlich, überstieg der Auktionspreis 2013 die Grenze von 10000 Franken.
Ballons montés. 150 Jahre Luftpost. Ballonbriefe in die deutsche Schweiz während der Belagerung von Paris 1870/1871. Von Ralph A. Kühne-Aubert. 70 Seiten, 120 zumeist farbige Abbildungen, Format DIN A4, Klebebindung mit flexiblem Einband. Preis: 24,80 Euro einschließlich Versandkosten. Erhältlich bei Aerophilatelie Palmer, Falkenweg 3, Biberberg, 89284 Pfaffenhofen an der Roth, E-Mail: mail@aero phil.de.
Rainer von Scharpen