100 Jahre Comic-Serie Rupert Bear
Plagiate sind Diebstahl von geistigem Eigentum und Verstöße gegen das Urheberrecht. Doch wenn ein Werk plagiiert oder karikiert wird, zeigt dies auch, dass ihm eine besondere Beachtung und Bedeutung beigemessen wird. 1970 publizierte das Oz Magazin, ein unabhängiges Untergrundmagazin aus der Londoner Gegenkultur der 1960er-Jahre, eine gezeichnete stark sexualisierte Rupert Bear-Parodie. Der Bär Rupert war zu der Zeit eine seit 50 Jahren sehr populäre Figur in Comics und Kinderbüchern im Vereinigten Königreich.
Drei Redakteure wurden wegen Obszönität und Verschwörung zur Beschädigung der öffentlichen Moral angeklagt und im ersten Prozess zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. In der Berufungsverhandlung wurden die Freiheitsstrafen aufgehoben. Die Provokation bescherter dem Oz Magazin kurzzeitig eine steigende Auflage von bis zu 80 000 Exemplaren.
Weitere 50 Jahre später erinnert sich kaum jemand an den Eklat; Rupert der Bär ist bei Kindern immer noch sehr beliebt und die Postverwaltungen in Großbritannien, der Kanalinsel Guernsey und der afrikanischen Republik Tschad widmen dem 100. Jahrestag seines ersten Auftritts mehrere Sonderbriefmarken. Am 8. November 1920 erschien in der britischen Tageszeitung Daily Express die erste Bildergeschichte von Rupert. Die Erzählungen schrieb Herbert Tourtel (1874–1931), er arbeitete als Redakteur für den Express. Die Illustrationen lieferte seine Ehefrau Mary (1874–1948).
Das Ehepaar kreierte und entwickelte die Hauptfigur, die in den ersten Folgen noch keinen Namen hatte. Marys Rupert orientierte sich an einem echten Braunbären mit schwerfälligem Gang und dichtem Fell. Als die Zeitung das Geld für Farbe sparen wollte, erhielt Rupert seine bis heute bekannte weiße Farbe. Auch war Rupert in den Anfangsjahren noch anders gekleidet, er trug einen blauer Pullover und eine grauer Hose.
Ein unstetes Leben
Mary Tourtel wurde als Tochter eines Steinmetzes und Glasmalers geboren. Sie studierte Kunst an der Sidney Cooper School of Art in Canterbury. Nach dem Tod ihres Ehemannes führte sie die Comic-Serie noch vier Jahre fort. Als sie Probleme mit ihrer Sehkraft bekam, übergab sie die Serie an ihren Nachfolger. Mary führte ein unstetes Leben und reiste gern. Sie verbrachte mehr Lebenszeit in verschiedenen Hotels als an einem festen Wohnsitz. Im Mai 1948 starb sie an einem Gehirntumor.
1935 wurde dem Zeichner Alfred Bestall (1892–1986) die Verantwortung für die Rupert Bear-Episoden übertragen. Bestall verbesserte sowohl die Plots als auch die Illustrationen der Geschichten. Als Kind hatte Alfred Bestall mit seinen Eltern in der Nähe des Dorfes Beddgelert im Snowdonia -Nationalpark, im Norden von Wales Urlaub gemacht. Ihn faszinierte die Snowdonia-Landschaft mit ihren spektakulären Bergketten, von deren unberührter Natur ließ er sich für Ruperts Erlebnisse inspirieren.
Der Daily Express stand vor hundert Jahren in hartem Wettbewerb mit den beiden Boulevardblättern Daily Mail und Daily Mirror. Die Daily Mail hatte im April 1915 sehr erfolgreich begonnen, mit „Teddy Tail“ den ersten täglichen Comic in einer britischen Zeitung zu veröffentlichen. Titelfigur war kein Teddybär, wie man vermuten könnte, sondern eine Maus. Die Daily Mail war auch die erste britische Tageszeitung, die in ihren Comics Sprechblasen statt der bis dahin üblichen Bildunterschriften einsetzte.
1919 zog der Daily Mirror mit einer eigenen Bilderserie nach: „Pip, Squeak and Wilfred“. Sie handelte von den Abenteuern einer gemischten verwaisten Tierfamilie. Der Hund Pip übernahm dabei die verantwortungsvolle Vaterrolle. Pinguin Squeak übernahm den Mutterpart und Wilfred, ein Kaninchen mit sehr langen Ohren, gab den Sohn.
Harte Konkurrenz
Der Daily Express ging 1920 erst als drittes Blatt mit einer eigenen Comic-Serie, in der Tiere als Protagonisten auftraten, an den Start. Doch während Pip, Squeak und Wilfred ihre Unternehmungen bereits 1956 einstellten und sich auch Teddy Tail zu Beginn der 1960er-Jahre zurückzog, blieb Rupert Bear in Kinderbücher und Fernsehserien bis heute aktiv.
Bewegte Bilder
Der Erfolg der Rupert-Erzählungen und Comics ließ mehrere Fernsehserien des beliebten Bären entstehen. Bereits in seinem Gründungsjahr 1982 wurden vom britischen Fernsehsender Channel 4 Zeichentrickfilme von Rupert Bear ausgestrahlt.
Von 1992 bis 1995 fertigte eine kanadische Produktionsgesellschaft diverse weitere Folgen einer Rupert-Zeichentrickserie. Auch ein britisches Filmteam produzierte seit 2006 in vier Staffeln 52 Episoden mit dem Bären aus dem Nußwald. Die Kurzfilme werden in Deutschland seit 2008 vom Sender Super RTL in mehrfachen Wiederholungen ausgestrahlt.
Die Royal Mail entschied sich bei ihrer achtteiligen Markenausgabe vom 3. September für vier Erzählungen aus der Mitte des 20. Jahrhunderts. Jeweils zwei Marken mit gleichen Wertangaben stellen folgende Geschichten vor: Ruperts regenreiches Abenteuer (Ruperts Rainy Adventure, 1944), Rupert und das Mare Nest (Rupert and the Mare’s Nest, 1952), Rupert und der verlorene Kuckuck (Rupert and the lost Cuckoo, 1963) und Ruperts Weihnachtsbaum (Ruperts Christmas Tree, 1947).
Bereits im Februar 1993 und im Februar 1994 erschienen im Kontext von Markenheftchen mit Kinderbuch-Helden zwei britische Briefmarken mit Rupert und seinem Freund Bill dem Dachs (MiNr. 1439) und mit Rupert im Mastkorb eines Heißluftballons (MiNr. 1495). Auch die Guernsey Post verausgabte im Februar 1993 einen Kleinbogen mit vier 16 Pence und vier 24 Pence Werten, die zeigen, wie sich Rupert und seine Freunde im Schnee vergnügen (MiNr. 590 bis 597).
Aktuell erinnert die Guernsey Post mit vier Einzelmarken und einem drei Pfund-Block an die langlebige Comic-Serie. Seit dem 21. Juli sind der Block und sechs gummierte Werte zu 50, 68, 70, 85, 95 Pence und 1,02 Pfund im Handel. Vor gelbem Hintergrund werden auf jeweils drei Zentimetern Breite und vier Zentimetern Höhe die vier Freunde Schwein Podgy Pig, Elefant Edward Trunk, Dachs Bill the Badger, Mops-Hund Algy Pug und zweimal der Jubilar Bär Rupert vorgestellt.