Tour de France: 28 Minuten Vorsprung
Am 6. Juli beginnt in Brüssel die erste Etappe der Tour de France 2019. Bei dieser Gelegenheit möchten wir auf eine aktuelle Sonderbriefmarke aufmerksam machen, die an den Ausnahme-Athleten Fausto Coppi erinnert.
Am Abend des 29 Juni 1951 durchlebte der Radsportler Fausto Coppi die schmerzlichsten Stunden seines Lebens. Tagsüber hatte er gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Serse an der Piemont-Rundfahrt teilgenommen. Beim Abschlussspurt in Turin blieb Serse mit dem Vorderrad in einer Straßenbahnschiene hängen und stürzte auf den Kopf. Dabei erlitt er einen doppelten Schädelbruch. Die Ärzte im Krankenhaus konnten sein Leben nicht mehr retten, Serse starb an einer Hirnblutung.
Beide Brüder standen sich sehr nahe und waren einander eng verbunden. Serse war für Fausto für alle Fragen, die ihn beschäftigten, stets der erste Ansprechpartner gewesen. Fausto war untröstlich und durch den Tod seines Bruders völlig zerstört. Fünf Tage später sollte die Tour de France beginnen und Fausto war als Fahrer des italienischen Teams gemeldet. Sein erster Gedanke im Schmerz war, den Profiradsport unmittelbar aufzugeben. Doch die italienische Sportpresse bekniete ihn, seine erfolgreiche Sportkarriere fortzusetzen und seinem Bruder zuliebe an der Frankreich-Rundfahrt teilzunehmen.
Zögerlich bei der Abfahrten
Mit einem Kopfschutz ging Fausto Coppi als Kapitän der italienischen Mannschaft am 4. Juli 1951 an den Start zur ersten Etappe von Metz nach Reims. Doch die psychische Belastung war Coppi noch deutlich anzumerken. Beim Klettern in den Bergen konnte er an frühere Erfolge anknüpfen, doch bei den Abfahrten verfolgten ihn die Erinnerungen an den Tod seines Bruders und er zog häufiger die Bremsen als sonst. Coppi quälte sich und konnte die 20. Etappe von Gap nach Briançon als Sieger abschließen. Am Ende belegte er den 10. Rang in der Gesamtwertung, knapp 47 Minuten nach dem Schweizer Sieger Hugo Koblet.
Ein Jahr später konnte Fausto Coppi dann bei der Tour de France 1952 seinen größten Erfolg feiern. Den ersten Akzent setzte er, als er das Einzelzeitfahren von Metz nach Nancy gewann. Vier weitere Etappensiege sollten folgen. Die Streckenführung kam dem zähen Kletterer entgegen. Erstmals waren Bergankünfte vorgesehen. Gleich bei der ersten Anstiegsankunft nach 21 Serpentinen im Wintersportort Alpe d’Huez konnte sich Coppi durchsetzen. Er holte sich, unterstützt von seinen Mannschaftskollegen, den Tagessieg der 10. Etappe und das Gelbe Trikot des Ersten der Gesamtwertung, welches er bis zum Ende der Rundfahrt nicht mehr hergab. Auch bei der nächsten Ankunft in der italienischen Gebirgsgemeinde Sestriere, kurz hinter der französischen Grenze, war Fausto Coppi der Erste.
In blendender Form
Er war in einer blendenden Form. Später gewann er in den Pyrenäen eine weitere Etappe. Als er auf dem Puy de Dôme, einem Lavadom eines ehemaligen Vulkans eintraf, hatte er gegenüber seinen Verfolgern einen Vorsprung von rund 30 Minuten herausgefahren. Im Pariser Prinzenpark wurde der Italiener gebührend gefeiert. Die französischen Radsportfans erkannten seine außergewöhnliche Leistung, mit der er sich um 28 Minuten und 27 Sekunden vom nächsten Verfolger, dem Belgier Stan Ockers, abgesetzt hatte. Ein derart großer Vorsprung eines Tour-Siegers wurde seither nicht wieder erreicht.
Fausto Coppi war einer der erfolgreichsten und populärsten Radsportler. Bereits 1949 hatte der Sohn eines Weinbauern im Duell der Giganten, vor seinem Landsmann Gino Bartali, seine erste Tour de France gewonnen. Mit 13 Jahren arbeitete er für einen Metzgereibetrieb und lieferte die Fleischbestellungen per Fahrrad aus. 1940, mit 20 Jahren, erhielt er seinen ersten Profivertrag als Radsportler. Im gleichen Jahr gewann er erstmals den Giro d’Italia, drei weitere Siege des italienischen Straßenrennens sollten folgen. Mehrfach siegte er bei den klassischen Eintagesrennen. Fünfmal gewann er die Lombardei-Rundfahrt, dreimal das Rennen Mailand – San Remo und jeweils einmal das Rennen Paris – Roubaix und den Flèche Wallonne. Fausto Coppi starb mit 40 Jahren. Bei einem Rennen in Afrika hatte er sich mit Malaria infiziert, die Krankheit wurde nach seiner Rückkehr tragischerweise nicht erkannt und falsch behandelt. Am 15. September 2019 wäre Fausto Coppi 100 Jahre alt geworden. Die monegassische Post hat ihm zu Ehren am 29. Mai eine Sondermarke in einer 40 000-er Auflage herausgegeben. Die Marken haben den Wert von 0,86 € und erscheinen in 10er-Kleinbogen. Das Motiv basiert auf einer Zeichnung des Künstlers Thierry Mordant.
Literatur-Tipp
Unterhaltsame und informative Lektüre für die Zeit zwischen Zielankunft und Start der folgenden Etappe: „Ralf Schröder, Nicht alle Helden tragen Gelb (Affiliate-Link). Die Geschichte der Tour de France“, 4. aktualisierte Auflage, Verlag die Werkstatt, Göttingen 2011.