Lexikon: Basiswissen – Zensur
Der Name kommt aus dem Französischen: Cabinet Noir, zu Deutsch Schwarzes Kabinett. Er steht für eine geheime Kontroll- und Zensurstelle, in der auf Anweisung der Regierung oder anderer höherer Staatsinstitution Briefe im Geheimen geöffnet, gelesen, unter Umständen kopiert und danach wieder verschlossen und in den Postverkehr zurückgegeben wurden.
Schwarzes Kabinett
1917 aus militärischen Gründen unter Kriegsrecht zensierter Brief aus Kopenhagen
nach Berlin mit Klebeband.
Solche Kabinette hat es in vielen Ländern, meist unter diesem oder einem anderen ähnlichen Namen gegeben. Lediglich über den genauen Ursprung sind sich die Nachschlagewerke nicht einig.
Das Handwörterbuch des Postwesens in zweiter Auflage von 1953 (Frankfurt am Main) nennt ein Edikt des französischen Königs Ludwig XI. vom Juni 1464 als Ausgangspunkt der ersten Schwarzen Kabinette. Dieselbe Quelle weist ähnliche Einrichtungen bei der Taxis’schen Reichspost seit Anfang des 19. Jahrhunderts aus.
Die Brockhaus-Enzyklopädie von 1987 schreibt die Einrichtung der Schwarzen Kabinette in Frankreich Ludwig XIV. (1638–1715) zu. Das Lexikon Philatelie von Wolfram Grallert von 2015 nennt ausdrücklich den französischen Kardinal Armand-Jean du Plessis, Duc de Richelieu (1585–1642) als „Erfinder“ des ersten Schwarzen Kabinetts im Jahr 1628.
Brief 1952 von London nach Wien mit alliierter Zensur.
Briefzensur seit dem 15. Jahrhundert
Sicherlich haben die Herrschenden also in Frankreich seit dem 15. Jahrhundert und in vielen anderen Ländern im Laufe der Zeiten danach geheime Postzensur ausgeübt, die unter den Begriff der Schwarzen Kabinette subsummiert werden kann. Unter Wikipedia findet man heute als illustrative Symbole des Wirkens dieser Einrichtungen Siegellack und einen Siegelstempel.
Teilweise gingen die Tätigkeiten der Schwarzen Kabinette oder Kammern im 18. und 19. Jahrhundert, wie die Geheime Kabinettskanzlei in Wien zum Beispiel belegt, in Stellen über, die auch und vor allem verschlüsselte Nachrichten des internationalen diplomatischen Postverkehrs zu entschlüsseln suchten.
Und obwohl der ursprüngliche Begriff der Schwarzen Kabinette im Laufe der Zeit aus dem allgemeinen Sprachgebrauch verschwand, blieb die Zensur allgegenwärtig: während der beiden Weltkriege und der ihnen folgenden Besatzungszeiten besonders, aber auch während der zahlreichen politischen Konflikte des 20. Jahrhunderts und unserer bewegten Gegenwart. Das hat inzwischen meist entsprechend gekennzeichnete Belege eines riesigen Sammelgebietes hervorgebracht.
Text: Peter Fischer / Titelabbildung: Als die ersten Schwarzen Kabinette entstanden, spielten Siegellack und Siegelstempel im Briefverkehr noch eine erstrangige Rolle.