Tod und Arzt

Tod und Arzt

Dass ein richtig erkannter Zusammenhang falsch erklärt wird, ist kein Einzelfall in der Geschichte der Menschheit. Die alten Römer glaubten etwa, dass schädliche Gase das tückische Sumpffieber auslösten – Malaria heißt übersetzt „schlechte Luft“ – und legten daraufhin ihre Sümpfe trocken. Der Erfolg schien ihnen recht zu geben, obwohl sie im Irrtum waren. Ein tragisches Gegenbeispiel für dieses Phänomen war die Entdeckung des jungen ungarischen Chirurgen Ignaz Philipp Semmelweis. Obwohl er einen unmittelbaren medizinischen Zusammenhang empirisch belegen konnte, fand er kein Gehör. Einerseits war die medizinische Grundlagenforschung noch nicht weit genug, um den von Semmelweis vermuteten Zusammenhang zu beschreiben, andererseits – und das wog viel schwerer – hätte seine These die gesamte damalige Hochschulmedizin des Irrtums und der tausendfachen fahrlässigen Tötung überführt. Das durfte nicht sein.

Der verkannte Retter

Ungewollt wurde der Tod zum engen Begleiter des Arztes, wie auf dieser Totentanz-Postkarte angedeutet.

Als der junge Chirurg Ignaz Semmelweis 1846 als Assistenzarzt in der „1. Geburtshilflichen Abteilung“ des „k. und k. allgemeinen Krankenhauses in Wien“ seinen Dienst begann, lag ein dunkler Schatten über dieser Abteilung. Im Vergleich zur „2. Geburtshilflichen Abteilung“ lag die Todesrate der entbindenden Mütter mehr als doppelt so hoch. Besonders peinlich für den Leiter Dr. Johann Klein war, dass in der 2. Abteilung noch nicht einmal Ärzte ausgebildet wurden, sondern „nur“ Hebammen. Wenn geringer qualifizierte Frauen eine höhere Überlebensrate erzielten, konnte das unmöglich an den Ärzten liegen – darin waren sich die Herren einig. Ignaz Semmelweis kam 1847 eher zufällig auf die richtige Spur, als sich ein befreundeter Pathologe bei der Sektion einer Leiche verletzte und wenige Tage später an einer Blutvergiftung starb. Die Symptome des unglücklichen Arztes glichen denen der am Kindbettfieber leidenden Frauen. Semmelweis schloss daraus, dass es möglicherweise einen Zusammenhang zwischen den „Leichengiften“ und dem Fieber gab. Wie der Zusammenhang beschaffen war, konnte er nicht sagen.

Heutzutage wird Ignaz Philipp Semmelweis vielerorts verehrt, hier sein Standbild in Budapest.

Damals war die Existenz von Bakterien noch gar nicht bekannt. Der Assistenzarzt erkannte aber dennoch den entscheidenden Faktor für die unterschiedlichen Sterblichkeitsraten. In der 1. Abteilung wurden die Ärzte an Leichen pathologisch ausgebildet und besuchten zwischen den Lehrveranstaltungen den Kreissaal und assistierten bei den Entbindungen. Die Hebammen der 2. Abteilung aber kamen niemals mit Leichen in Kontakt. Daher, vermutete Semmelweis korrekt, müsse irgendeine Substanz aus den Leichen über die Hände der behandelnden Mediziner die Infektion der Mütter bewirken. Da die desinfizierende Wirkung von Chlor bereits bekannt war, ließ Semmelweis seine Studenten fortan vor jeder Untersuchung ihre Hände mit Chlorkalk reinigen. Binnen eines Jahres sank die Sterblichkeitsrate der Abteilung sogar unter die der Hebammen. [..]

 

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Authored by: Stefan Liebig

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