Geduld bei der Markensuche im Katalog
Ich wühlte mich durch einen Haufen Briefmarken aus dem Deutschen Reich und suchte sie aus dem Katalog raus. Bei zwei Briefmarken wurde ich aber nicht fündig. Meine Briefmarken stammten eindeutig aus der Nazi-Zeit, denn auf der einen war ein Adler abgebildet, der auf einem Hakenkreuz sitzt, auf der anderen Adolf Hitler.
Beim Umgang mit philatelistischen Zeitzeugnissen müssen historische Hintergründe beachtet werden.
Ich kannte die beiden Briefmarken noch nicht und wollte sie unbedingt im Katalog finden. In Frage kamen auf Grund der Nazi-Symbole nur die Zeit von der Machtübernahme der Nazis 1933 bis zur Kapitulation des Deutschen Reichs 1945. In dieser Zeit kamen gut 400 Briefmarken raus. Aber keine sah so aus wie meine. Naja, im Katalog unbekannte Briefmarken werde ich wohl kaum gefunden haben, daher mussten sie ja doch irgendwo stehen. Doch wo?
Dr. Phil sagt ja, ich soll im Katalog nicht immer nur den Hauptteil lesen. Also blätterte ich weiter und fand hinter dem Deutschen Reich noch viele weitere Briefmarken. Deutsche Kolonien, Besetzungsausgaben der Deutschen aus dem Ersten Weltkrieg usw. Nach vielen, vielen Seiten fand ich die Briefmarke mit Hitler tatsächlich unter der Überschrift „Böhmen und Mähren“. Und dann sah ich auch unten auf meinen Briefmarken die Inschrift: „Böhmen und Mähren“ und darunter „?echy a Morava“. Das klingt nun überhaupt nicht deutsch. Dr. Phil hielt mir einen sehr langen Vortrag, was es mit Böhmen und Mähren auf sich hat. Aber lest das in seinem Kasten!
Die zweite Briefmarke fand ich dann hinter dem Hauptteil von „Böhmen und Mähren“: Die Buchstaben „D“ und „M“ stehen offenbar für „Dienstmarke“. Beim Suchen im Katalog hilft also die richtige Kombination aus geschichtlichem und philatelistischem Wissen und vor allem Geduld!
Zinnober Zacke
Dr. Phil informiert:
Die Katalogsuche hat Zinnober ja sehr gut erklärt. Aber gerade bei Briefmarken aus der Zeit der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft sollte man sich auch immer mit dem geschichtlichen Hintergrund der Sammelstücke beschäftigen. Man darf Marken mit NS-Symbolen übrigens gar nicht öffentlich zeigen, wenn der geschichtliche Aspekt nicht berücksichtigt wird. Doch zurück zu Böhmen und Mähren: In den 1930er-Jahren bildeten das heutige Tschechien und die heutige Slowakei einen gemeinsamen Staat, die Tschechoslowakei. Im Herbst 1938 bekam das Deutsche Reich diejenigen Gebiete der Tschechoslowakei zugesprochen, in denen überwiegend Deutsche lebten. Das war praktisch das gesamte Grenzgebiet des heutigen Tschechiens. Doch das reichte den Deutschen nicht. Mitte März 1939 drohte Adolf Hitler der Tschechoslowakei mit Krieg, falls der Rest Tschechiens nicht auch herausgegeben werde. Dieses Gebiet wurde dem Deutschen Reich unter dem Namen „Böhmen und Mähren“ einverleibt. Die tschechischen Bürger waren jedoch Bürger zweiter Klasse. Da sind Postwertzeichen mit Adolf Hitler und überwiegend deutschen Inschriften in einem Gebiet mit meist tschechisch-sprachiger Bevölkerung noch harmlos. Die tschechische Industrie musste für die Deutschen Waffen und andere kriegswichtige Güter herstellen. Mehrfach ermordeten die Deutschen Bewohner von Ortschaften, um sich für Überfälle des tschechischen Widerstandes zu rächen. Beim Umgang mit philatelistischen Zeitzeugnissen sollte man sich daher immer bewusst sein, welche Begleitumstände zu ihrer Entstehung führten.
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