Schöner Schein
In Zeiten virtueller Währungen erlebt man immer wieder, dass gigantische Werte aus dem Nichts entstehen können. Dennoch mag man es für einen Scherz halten, dass Scheine im Aussehen von Banknoten mit der Wertangabe „0 Euro“ reißenden Absatz finden.
Violette „0 Euro“-Souvenirdrucke immer beliebter
Ich machte jedenfalls ein erstauntes Gesicht, als ein langjähriger Sammlerfreund mich vor einigen Monaten fragte, ob ich denn auch schon auf der Jagd nach solchen Nullerscheinen sei. Er klärte mich über die Hintergründe auf und gab mir einen Einblick in die Szene, die sich damit befasst. Das Konzept der Null-Euro-Scheine kreierte der Franzose Richard Faille, der zuvor bereits ein immenses Sortiment an Erinnerungsmedaillen in Umlauf gebracht hatte. Seit 2015 werden die Papier-Souvenirs in seinem Auftrag von der französischen Sicherheitsdruckerei Oberthur Technologies auf Spezialpapier gedruckt und weisen Schutzmerkmale auf, die für Banknoten typisch sind: Wasserzeichen und Metallstreifen, Hologramme und Durchsichtsregister, fluoreszierende Farbe, Mikroschrift und eine fortlaufende Kontrollnummer mit vorangestellten Kennbuchstaben. Oberthur gilt als drittgrößtes Unternehmen der Welt zur Herstellung von Banknoten und produziert seit einigen Jahren auch echte Euro-Scheine für Deutschland.
Das Format der violetten Souvenirdrucke beträgt einheitlich 135 mal 74 Millimeter. Die Vorderseiten sind nach Wünschen der Auftraggeber gestaltet, in der Regel mit Attraktionen und Sehenswürdigkeiten bedruckt, die für den Tourismus werben und auf Freizeitparks, Museen oder Zoos verweisen. Die einheitlichen Motive der Rückseiten zeigten 2015 zunächst französische Bauwerke – Eiffelturm und Notre-Dame in Paris, den Mont-Saint-Michel im Norden und den Pont du Gard im Süden. 2016 erfolgte die Umstellung auf Bauten aus europäischen Ländern, darunter das Brandenburger Tor sowie das Manneken Pis aus Brüssel. Nachdem Großbritannien den Brexit beschlossen hatte, wurde Mitte 2017 der Londoner Big Ben durch den Turm von Belém bei Lissabon ersetzt. Inzwischen verbreiten sich die Null-Euro-Noten wie ihre Darstellungen durch Lizenznehmer über ganz Europa.
Von Duisburg bis hinter Wuppertal
Die ersten deutschen Ausgaben stammen aus dem Jahr 2016. Den Auftakt machte der Duisburger Zoo mit einer Erstauflage von 5000 Stück, die Giraffe, Tiger und einen Koalabär aus dem Tierpark zeigt und für drei Euro das Exemplar zu haben war. Weitere Scheine brachte der Förderverein für das Berliner Schloss in Umlauf. Die Stadt Kiel zeigte als Motiv die „Gorch Fock“. Kassel präsentierte den Herkules auf zwei Auflagen und feierte die documenta. Düsseldorf erinnerte an den Start der Tour de France. Wuppertal verewigte seine Schwebebahn auch in dieser Form. Besonders hoch war die Nachfrage bei Ausgaben mit Martin Luther zum Jubiläum der Reformation.
Auch wenn als Nominalwert Null Euro angegeben sind, kosten die Souvenirscheine schon bei Erscheinen mindestens zwei Euro. Dass viele Interessenten bereit sind, die Startpreise zu bezahlen, zeigen die raschen Ausverkäufe etlicher Sorten. Die Auflagen bewegen sich überwiegend zwischen 5000 und 20?000 Stück. Sind sie bei den Herausgebern vergriffen, werden die Kurse von Angebot und Nachfrage bestimmt. Nachauflagen kommen vor, werden aber durch unterschiedliche Nummerierung gekennzeichnet.
Mindestens 90 Sorten umfasst inzwischen eine komplette Sammlung deutscher Null-Euro-Scheine, für die bereits mehr als tausend Euro verlangt werden. Als teuerster Problemfall erweist sich die Ausgabe „MSV Duisburg“ von 2016, für die schon mehrere Hunderter bezahlt wurden. Ein Stromanbieter nutzte sie als exklusive Prämie bei Vertragsabschlüssen, daher kam bisher nur ein Bruchteil der 5000er-Auflage auf den Markt. Für zwei Stücke mit aufeinanderfolgenden Nummern erwartete ein Internet-Anbieter allen Ernstes 1600 Euro … 201 Euro brachte der Schein „Wuppertal Kaiserwagen“ 2017-1 mit der Anfangsnummer 000001. Doch da hört der Spaß für Liebhaber offenbar noch lange nicht auf – ein Katalog und Albenblätter sind bereits erschienen.
Text: Michael Burzan
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