„Junge Leute für die Philatelie begeistern“
Seit gut einem Jahr behandelt er in „RonAleX Briefmarkenecke“ auf YouTube alle Aspekte rund um das Sammeln von Briefmarken. Ron Pichler im Interview über die Faszination der Philatelie und die Chancen, die das Internet für Nachwuchsphilatelisten und Wiedereinsteiger bieten kann. Am 25. November 2016 ging „RonAleX Briefmarkenecke“ mit „Alben, Pinzette und Co — der optimale Einstieg“ zum ersten Mal auf YouTube online. Inzwischen sind über 40 Folgen entstanden, über die richtige Aufbewahrung ebenso wie zu Spezialthemen.
Die erste Folge von „RonAleX on Tour“ dreht sich um den Hölderlin-Turm, der es bereits mehrfach auf eine Briefmarke geschafft hat. Im Video lassen sich Bauwerk und Markenbild gut vergleichen. Video 30 erklärt den Aufbau des Michel-Katalogs (links).
Philatelie auf YouTube
Herr Pichler, was gab den Anstoß, Filme über das Sammeln von Briefmarken zu machen und auf YouTube zu veröffentlichen?
Mir war aufgefallen, dass in den Online-Foren zum Thema Philatelie immer wieder die gleichen Basisfragen gestellt wurden, teilweise schon seit Jahren. Hier wollte ich Abhilfe schaffen. Meine Frage war außerdem, wie man Jugendliche und (Wieder-) Einsteiger für Briefmarken begeistern kann. Die Philatelie ist so ein interessantes und schönes Hobby, das möchte ich weitergeben. Das liegt mir einfach am Herzen! Menschen sind ja nun mal Jäger und Sammler, und ich empfinde es so, dass man immer mehr wissen will, je mehr man sich mit der Philatelie beschäftigt. Marken und Postgeschichte spiegeln letztlich die Geschichte unseres Landes und unserer Kultur. Deswegen bietet die Philatelie für jeden sehr viel, der sich für Geschichte interessiert.
Welche Inhalte haben die Filme?
Das reicht von den Basics wie der richtigen Ausrüstung über den Aufbau einer Sammlung bis hin zu Spezialthemen wie Plattenfehlern.
Wie ist die bisherige Resonanz auf „RonAleX Briefmarkenecke“?
Vor allem bei den Jüngeren kommt das Format sehr gut an, das zeigen die Kommentare. Aber auch erfahrene Sammler melden mir zurück, dass sie durch die Filme auf Sammelgebiete aufmerksam wurden, die sie bisher einfach nicht beachtet haben, wie zum Beispiel die französisch besetzte Zone nach dem Zweiten Weltkrieg. Natürlich gibt es auch Jugendliche, die sich „aufregender“ gestaltete Videos wünschen, aber hier muss ich natürlich einen Mittelweg finden. Auch gab es einige „hartgesottene Philatelisten“, die das Projekt als „Kindergarten“ bezeichneten – aber die erkennen eben nicht, dass die Zielgruppe eine ganz andere ist.
Aufmerksamkeit erregen
Wie machen Sie denn auf Ihre Videos aufmerksam?
Wenn ich ein neues fertig habe, poste ich das in den jeweiligen Foren und außerdem bei Facebook. Hier und überhaupt in den sozialen Medien sind natürlich viele junge Leute unterwegs, die eben nicht unbedingt in der Philatelie organisiert sind. Die Facebook-Gruppen, die sich um Philatelie drehen, sind gigantisch groß. Meine Erfahrung ist die: Es gibt doch viele, die sich in irgendeiner Form für Briefmarken interessieren, aber eben erstmal im Internet nach Informationen suchen. Hier komme ich mit meinen Videos ins Spiel. Die können dann in Ruhe zuhause angeschaut werden, zu jeder Tages- oder Nachtzeit. YouTube bietet eine Suchfunktion und zeigt zusätzlich verwandte Themen an. Das bedeutet, der Suchende wird schnell fündig. Man kann sehr unkompliziert weitere Fragen stellen, auch zu jeder Tages- und Nachtzeit. Keiner wird kritisiert, keiner fragt nach dem Alter oder wie lange was gesammelt wird …
… die Hemmschwelle ist also niedrig?
Ja, das würde ich so sehen. Es kommt eben immer darauf an, wie ich mich angesprochen fühle. Ich muss nicht zu einer bestimmten Uhrzeit am Abend zu einer Tagung oder einem Vortrag gehen.
Bevor ein Video online gehen kann, sind viele Arbeitsschritte nötig. Hier ein Blick in die Werkstatt der Briefmarkenecke, wo die Videosequenzen bearbeitet und geschnitten werden.
Was lässt sich über die Zugriffszahlen sagen?
Die Zahlen schwanken, aber sind auch schon mal dreistellig. Pro Video bekomme ich durchschnittlich zehn bis 15 Kommentare, oft über die private Nachrichtenfunktion bei Facebook. Durch die Zusammenarbeit mit dem Schwaneberger Verlag und dem Leuchtturm-Alben-Verlag werden die Videos auch weiter verbreitet. Hier bewerte ich Produkte, die jeweils zur Verfügung gestellt werden; so bekomme ich auch mehr likes bei Facebook. Momentan versuche ich, alles auf meinem Facebook-Account zu kanalisieren. Sicherlich könnte man bei der Verbreitung und der Auswertung viel aktiver sein, aber dann müsste ich noch mehr Zeit investieren.
Wieviel Zeit brauchen Sie denn, bis ein Video fertig ist?
Pro Videoproduktion können es schon mal zehn bis 16 Stunden Arbeit sein. Ideenfindung, Schreiben, Dreh und Schnitt passieren nach Feierabend und vor allem am Wochenende. Ich möchte neben meinem Job und neben „RonAleX Briefmarkenecke“ ja auch noch Zeit für mich privat haben. Meine Frau muss ohnehin schon genug unter meinem Hobby leiden …
Wie haben sich aus Ihrer Sicht die Filme und die Themen entwickelt?
Die Themen und die technische Qualität haben sich seit dem Start 2016 erheblich weiterentwickelt. Am Anfang war die Produktion von Videos absolutes Neuland für mich. In den ersten Videos sitze ich noch am Schreibtisch, später habe ich andere Hintergründe gewählt und zeige beispielsweise auch Karten. Ich habe inzwischen ein besseres Aufnahmegerät und ein hochwertigeres Mikrofon angeschafft. Dies hat die technische Qualität meiner Videos deutlich verbessert. Ich habe einen hohen Qualitätsanspruch: Denn nur, wenn Ton und Bild sauber sind, wird das Video auch angeschaut. Ganz zufrieden bin ich mit der Gesamtqualität aber immer noch nicht, hier ist noch Luft nach oben. Allerdings muss ich auch bezüglich der technischen Ausrüstung Grenzen setzen – sonst wird es irgendwann einfach zu teuer.
Sind Sie ganz auf sich alleine gestellt bei der Produktion?
Ich habe die ersten Filme alleine gemacht. Seit dem 15. Video arbeite ich mit weiteren Sammlern zusammen, welche vor allem die philatelistischen Inhalte überprüfen. Die Korrekturen kommen zurück, werden eingearbeitet, und auch das hat die Qualität natürlich verbessert. Derzeit arbeite ich mit der Arbeitsgemeinschaft Württemberg zusammen und stelle in einer mehrteiligen Serie die Württemberg-Philatelie vor. Die ArGe unterstützt da sehr und bringt eigene Ideen mit ein. Relativ neu ist auch „RonAleX On Tour“. Die Idee zu dem Video entstand spontan. Ich finde es reizvoll, sich Briefmarkenmotive in der Natur anzuschauen. Von der Messe Sindelfingen habe ich sogar zwei Filme mitgebracht. Die Resonanz auf „RonAleX On Tour“ ist bisher sehr gut. Ab dem kommenden Frühjahr geht’s auf jeden Fall mit neuen Folgen weiter!
Das hört sich schon recht professionell an. Ist geplant, die Videos zukünftig kommerziell zu nutzen?
Nein, daran denke ich nicht. Erstens glaube ich nicht, dass sich das bei der doch relativ überschaubaren Zuschauerzahl lohnen würde, und zweitens widerstrebt mir eine kommerzielle Nutzung. Alles, was ich mir vorstellen könnte, ist, vielleicht mal einen Film als Auftragsarbeit fertig zu stellen, beispielsweise für einen Messeveranstalter. Aber im Prinzip möchte ich nicht dem Grundsatz „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“ verpflichtet sein.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führten Birgit Freudenthal und Stefan Liebig.
Zur Person:
Ron Pichler hat wie viele als Kind mit dem Sammeln von Briefmarken angefangen. Als Jugendlicher waren andere Interessen wichtiger. Als ihm vor acht Jahren beim Aufräumen seine alte Sammlung in die Hände fiel, packte ihn das Sammelfieber erneut. Spezialisiert hat sich der heute 33-Jährige auf die Französische Zone Württembergs. Er gehört der philatelistischen Arbeitsgemeinschaft Französische Zone an. Der IT-Projektmanager beschäftigt sich beruflich mit der IT-Architektur von nationalen und internationalen Firmen. Ron Pichler freut sich über Feedback: Auf Youtube den Suchbegriff „RonAleX Briefmarkenecke“ eingeben. red