Einladung zur Treibjagd – Social Philately
Mein Lieblingsstück ist eine bayerische Postkarte von 1869. Flächig mit Jagd-Motiven bedruckt, handelt es sich um eine Einladungskarte „zur Treibjagd“, frankiert mit 1 Kreuzer, aus dem kleinen Pfälzer Ort Dirmstein.
Gelegenheit zum Kauf nutzen
Dieses Stück hat mich bereits vor 20 Jahren begeistert, als der Inhaber der Druckerei Gehringer, Dr. Niedermeier, mir ein Foto dieses Stückes zeigte. Ich konnte ihn zwar auch mit großen Beträgen nicht zum Verkauf an mich bewegen, aber immerhin schenkte er mir ein schönes großes Bild dieses Stückes. Nachdem dieses nun über Jahre bei mir im Büro hing (und noch hängt) und ich es täglich angeschaut und bewundert hatte, war für mich klar, dass ich dieses Stück kaufen musste, als die Sammlung Dr. Niedermeier von einem geschätzten Kollegen angeboten wurde.
Für mich ist diese Einladungskarte in vielerlei Hinsicht reizvoll: Zum einen ist sie einfach wunderschön und spricht auch Nichtphilatelisten an. Mit einem so opulenten vorderseitigen Druck kenne ich keinen früheren Beleg – eine Werbung für die Philatelie. Als Ansichtskartenvorläufer ist sie ein frühes Belegstück für die fachlichen Künste der damaligen lithographischen Anstalten.Zum anderen ist die Karte natürlich auch philatelistisch anspruchsvoll: mit 1 Kreuzer als Drucksache frankiert, wurde sie aber von dem korrekten Beamten der bayerischen Post nicht als solche anerkannt und mit 6 Kreuzer Nachporto versehen, die gemäß dem vorderseitigen Vermerk „6“ vom Empfänger zu zahlen war.Darüber hinaus erfüllt das Stück auch alle Ansprüche an perfekte und vor allem ursprüngliche Erhaltung – eben „mein Lieblingsstück“.
Text: Harald Rauhut
Weiter forschen
Ein solch außergewöhnliches Exponat, wie die von Harald Rauhut vorgestellte Postkarte, hat mehr verdient als einfach nur gesammelt zu werden. Die Social Philately verlangt nach der Erforschung der Hintergründe.Ein solch außergewöhnliches Lieblingsstück, wie die von Harald Rauhut vorgestellte Postkarte, hat mehr verdient als einfach nur gesammelt zu werden. Die Social Philately verlangt nach der Erforschung der Hintergründe.
Sammeln reicht dem Fan der Social Philately nicht
Beginnen kann der Forscher beispielsweise mit der Frage nach dem Absender der Einladung zur Treibjagd. Wer war Tobias Deiß? Eine Frage, die Google sicher beantworten kann! Die Eingabe „,Tobias Deiß‘1869 Offstein“ ergibt auf Anhieb zwar nicht viele, aber doch vielversprechende Ergebnisse: ein pdf „100 Jahre ? Verband der Hessisch-Pfälzischen Zuckerrübenbauer eV“ und „RPB ? Rheinisch-Pfälzische Bibliographie“. Bei beiden wird Tobias Deiß im Subtext aufgeführt und der Verdacht drängt sich auf, dass Deiß mit dem Zuckerrübenanbau zu tun hatte. Das erste Suchergebnis ist auf Anhieb erfolgversprechend und abschreckend zugleich: Das Dokument beschäftigt sich mit der Geschichte des Zuckerrübenanbaus, umfasst allerdings 305 Seiten. Um nicht alle lesen zu müssen, auf der Suche nach Herrn Deiß, bietet sich folgender praktischer Trick an: Man drücke die Tastenkombination „STRG+F“ und gebe im sich öffnenden Fenster den Suchbegriff ein. Der Name Deiß taucht auf den Seiten 34, 35 und in der Chronik auf Seite 269 auf. Auf den vorderen Seiten erkennt man schnell: Tobias Deiß war ein Landwirt, der sich wegen der sinkenden Weizenpreise ein neues Betätigungsfeld suchte. Er baute im Jahr 1850 die Offsteiner Rübenzuckerfabrik. Die zweite Spur führt zu einer mehrere Bildschirmseiten langen Bibliographie. Auch hier hilft der oben angeführte „Trick“ schnell weiter und führt zu einer Familienchronik der Deißens von Zorn, Helmut aus dem Jahre 2005. Der Link zur Vollanzeige landet allerdings auf einer geblockten Seite. Auch die anschließende Eingabe bei Google bleibt ohne weiterführende Ergebnisse. Interessierte Social-Philately-Forscher könnten an diesem Punkt ansetzen und noch mehr über die Familie Deiß in Erfahrung bringen. Ebenso bietet sich ein Hinweis der ersten Googlesuche zum Nachgehen an: Dort wurde auch auf Dokumente zur „Riedbahn von Darmstadt nach Goddelau“ verwiesen. Tobias Deiß engagierte sich offenbar auch für den Ausbau der örtlichen Infrastruktur. Vielleicht dienten seine Treibjagden also der Vernetzung der Interessenvertreter …
Text: Stefan Liebig
Bildunterschrift Titelbild: Die erste Zuckerfabrik in Offstein. Die erste Zuckerfabrik in Offstein. Quelle:?Südzucker
Dieser Artikel erschien im Sonderheft SocialPhilately – eine Beilage des BRIEFMARKEN SPIEGEL 7/2017. Hier können Sie das gesamte Heft als ePaper lesen.
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