Helgoland – Deutsch-Britisches Projekt
Eineinhalb Jahrhunderte sind vergangen seit auf der Nordseeinsel Helgoland eigene Postwertzeichen eingeführt wurden. Im Lauf des April 1867 kamen dort die ersten Briefmarken in Umlauf, nachdem Großbritannien die Posthoheit übernommen und den Hamburger Postagenten Paul Volkers zum Postmeister ernannt hatte.
Die Platzierung der Ausgaben in alphabetischer Folge unter den „Altdeutschen Staaten“ ist im Grunde genommen unsinnig. Es handelte sich zur Zeit ihrer Verwendung keineswegs um ein deutsches Gebiet. Erst nach der Ratifizierung des Helgoland-Sansibar-Vertrags wurde die Insel am 10. August 1890 Teil des Deutschen Kaiserreichs, gleichzeitig endete die Periode eigener Postwertzeichen. Doch eine kleine bis größere Helgoland-Sammlung bietet sich als spannende historische Ergänzung für Kollektionen mit Ausgaben der Reichspost oder der Bundesrepublik an. Zudem sind selbst 150 Jahre alte Originale der Erstausgabe noch für jeden Sammler erschwinglich.
Zwei seltene Vorläufer: Hamburger Postwertzeichen mit Stempel von Helgoland (links). Die beiden Typen der seltenen Nummer 1 von Helgoland zeigen unterschiedliche Profilbilder Königin Victorias. Bei der Zweitauflage 1II wurde das Grün gleichzeitig mit der Prägung gedruckt (rechts).
Rare Vorläufer von Hamburg
Wenig bekannt sind die seltenen Vorläufer: Briefmarken von Hamburg, die Entwertungen von Helgoland aus der Zeit zwischen Sommer 1862 und Mitte April 1867 aufweisen. Nur eine kleine Zahl von Stücken der MiNr. 13 zu 2 Schilling orangerot und MiNr. 15 zu 3 Schilling blau sind mit englischem Kreisbogenstempel „HELIGOLAND“ registriert. Nach Michel-Spezialkatalog werden sie mit 1000 Euro bewertet, auf Brief sogar zu 10000.
Die Rauhut-Auktion offerierte 2017 ein Prachtstück von Hamburgs Nr. 13 mit zentrischem Stempel von Helgoland, bereits im November 1956 attestiert, das einen Zuschlag von 540 erzielte. 140 brachte die seltene Entwertung auf einem farbfrischen Exemplar der 3 Schilling, bei dem die Zähnung links repariert worden war.
In der berühmten Boker-Kollektion war eines von zwei bekannten Paaren der 2 Schilling mit Helgoland-Stempel zu haben, das nach heutiger Währung 2500 Euro einspielte.
Das als Unikat bezeichnete Paar der Nr. 15c auf Briefstückchen fand zu 3100 Euro einen Liebhaber. Als Spitzenobjekt gilt der einzige Brief mit einem Viererstreifen der 3 Schilling, am 2. September 1866 an ein wohlgeborenes Fräulein in der „Irrenanstalt bei Halle“ in Preußen verschickt. 60 Jahre später erstmals bei Heinrich Köhler versteigert, wanderte der Beleg durch die Sammlungen von Eugene Klein, Philadelphia, und Edgar Kuphal, Berlin, ex John R. Boker jr. zugeschlagen für stolze 162000 Mark.
Zweimal die Erstauflage der MiNr. 1l mit verschiedenen Abstempelungen: der englische „HELIGOLAND“ im Kreisbogen und der Hamburger Zeilenstempel „HELGOLAND“ (Rauhut).
Victoria in Farben Helgolands
Die Briefmarken-Emissionen Helgolands ab 1867 stellen eine außergewöhnliche Kooperation zwischen der britischen Verwaltung und der preußischen Staatsdruckerei dar. Das Profilporträt von Königin Victoria erscheint im Zentrum weiß in einem grünen Medaillon, gestaltet vom erfahrenen Stempelschneider und Graveur Schilling, plastisch hervorgehoben durch einen farblosem Prägedruck. Zierelemente, Ziffern und Beschriftung in englischer Schreibweise „HELIGOLAND“ sind zweifarbig in Rot und Grün gehalten. Im Gesamtbild entsprechen die Marken den Farben der Insel, nach dem bekannten Motto: „Grün ist das Land, rot ist die Kant, weiß ist der Sand. Das sind die Farben von Helgoland.“ Die Währungen wurden in Hamburger Schillingen angegeben, nicht in britischen Shillings. Die auf den ersten Blick so hübsch wirkenden zweifarbigen Postwertzeichen zeigten sich bei genauer Betrachtung keineswegs perfekt gelungen. Statt ein internationales Aushängeschild für die Produktionsqualitäten der Druckerei darzustellen, lassen sie erkennen, dass man sich damit etwas übernommen hatte. Leichte Verschiebungen der einzelnen Druckgänge sind die Regel, nur selten passen alle Elemente optimal zusammen. Durch die Kopfprägung waren die Bogen verzogen, so dass eine exakte Positionierung der farbigen Partien praktisch unmöglich wurde.
Schön, aber unperfekt
Die vier Eckelemente um das Medaillon, Zwickel genannt, wurden nur bei Nr. 1 und 2 unterschiedlich gegenüber dem Medaillon ausgeführt, bei Nr. 3 und 4 in gleicher Farbe. Immer wieder setzten sich kleine Farbspuren in den Prägedruck, was zuweilen den Eindruck erweckte, als vergieße die Königin Tränen, trüge Brille oder Bart.
Was ebenfalls nicht gut gelang, war die Trennungshilfe zum Vereinzeln der 50 Marken aus einem Schalterbogen. Die Preußische Staatsdruckerei verfügte zu jener Zeit noch nicht über eine Zähnungsmaschine. Wie bei den damaligen Postwertzeichen Preußens begnügte sie sich mit einem farblosen Durchstich, der aber die Marken oft ungenau umrahmte, nicht selten leicht versetzt bis in die Markenbilder. Zuweilen nahm der Postbedienstete sogar die Schere zu Hilfe.
Langfristige Aufsteiger
So gelten die Michel-Bewertungen bei Helgolands Erstausgabe nach Redaktionsangaben für leicht dezentrierte Marken, während genau zentrierte Stücke einen Aufschlag von 20 Prozent verdienen. Nur die erste Serie weist diese Trennungsart mit gerissen wirkenden Rändern auf, daher ist sie leicht innerhalb von Sammlungen identifizierbar.
Auch wenn es sich zum Beginn des Sammelgebiets lediglich um vier Wertstufen handelte, umfasst diese Ausgabe ein breites Preisspektrum. Es reicht heute von originalgetreuen Neudrucken für ein paar Euro über Originalmarken zu zwei- bis vierstelligen Notierungen bis zu Briefen, die fünfstellige Beträge kosten können. Im Rückblick zeigt sich die bemerkenswerte Preisentwicklung über mehr als hundert Jahre. Im weltweiten Postwertzeichen-Katalog der Gebrüder Senf von 1901 rangierte Helgoland zwischen Hawai (Sandwichinseln) und Honduras. Damals kostete eine ungebrauchte Nummer 1 im Original mit 30 Reichsmark ebenso viel wie eine Nummer 2; 1914 lag sie mit 50 zu 45 Mark vorne. In gestempelter Erhaltung führte Nr. 1 schon 1901 zu 50 Mark (1914: 75); gefolgt von der Nr. 4 zu 40 (45) und Nr. 2 zu 20 (30) Mark. Keine Preisbewegung zeigt sich allerdings nach aktueller Michel-Katalogisierung 2017 gegenüber den Vorgängerbänden. Daraus lässt sich auf eine stabile Marktlage schließen, die noch genügend Spielraum zu den registrierten Bewertungen bietet. Doch immerhin konnten auch in den Euro-Jahren seit 2001 einige Wertsteigerungen konstatiert werden.
Nummer 1 in zwei Versionen
Die beste Sorte der Erstausgabe ist die kleinste Wertstufe zu 1/4 Schilling, MiNr. 1I mit einer Auflagezahl von 20000. Postfrisch konnte sie wie in echt gestempelter Erhaltung um hundert Euro zulegen, auf ** 800 / å 1300 Euro. Mit gefalztem Originalgummi verzeichnete sie plus 25 Prozent von 320 auf 400 Euro; ungebraucht ohne Gummierung zog sie von 180 auf 200. Am teuersten ist die zweite Auflage der 1/4 Schilling, die ab August 1868 in einer geringen Zahl von 10000 Stück in Umlauf kam. Sie unterscheidet sich durch ein neu gezeichnetes Profil der Königin, mit leicht hochgewölbter Büste und sichelförmig nach unten auslaufender Haarlocke; die obere Schriftzeile „SCHILLING“ ist etwas breiter gesetzt. Die Brüder Senf setzten sie 1901 unter Nr. 1A. als „Type II (veränderte Kopfform, leichte Abweichungen der Buchstaben und Ziffern)“ mit 80 Mark ungebraucht, 100 Mark gestempelt an. Ein hübsches Sortiment mit Helgoland-Werten enthielt die Briefmarkenauktion vom Frühjahr 2017 bei Rauhut & Kruschel. Mit 450 Euro schloss hier ein Kabinettstück der 1/2 Schilling bläulichgrün/karmin in Type I, entwertet mit klarem Stempel „Helgoland“. Signiert von Lemberger und Engel, bezeichnete ein Attest C. Brettl die Marke als „einwandfrei … Ein sehr attraktives Exemplar …“.
410 Euro plus Aufgeld kostete eine andere MiNr. 1I mit Zeilenstempel, signiert Bühler und Pfenninger mit Attest von Frau Brettl. Bei Nordphila wurde eine gebrauchte Type I als „feinst“ mit leichten Papierunzulänglichkeiten sowie Fotoattest Müller zu 380 Euro ausgerufen, zuvor geprüft durch Engel und Pfenninger.
Beide Typen der 1/2 Schilling, je als ungebrauchte Prachtstücke MiNr. 1I/II ohne Gummi, waren zusammen mit Prüfbefund ab 200 Euro zu haben. Das Württembergische Auktionshaus konnte ein frisches ungebrauchtes Exemplar der zweiten Auflage mit vollem Originalgummi, aber kleiner Aufrauhung für 180 plus Aufgeld zuschlagen. 500 Euro erwartete eine gute Type II gebraucht mit Einzeiler von Helgoland, laut Beschreibung rückseitig ganz minimal „berieben“, aber als bestens doppelt signiert Lemberger.
Die Nr. 2 Helgolands zu einem Schilling in Rosakarmin/Grün wurde 40 000 mal gedruckt. Ihr Anstieg seit 2001 lag bei plus zehn bis 20 Euro auf (*) 140 und * 240. Starke Preisunterschiede je nach Qualität sind hier festzustellen, nicht immer von Käufern honoriert. 75 Euro erzielte eine sauber gestempelte, mehrfach signierte 1 Schilling bei Alexander Schulz; 70 erwartete vergeblich ein Prachtstück mit Einzeiler „Helgoland“, signiert von Drahn und anderen Experten.
Von 1 bis 6 Schilling
Im Nachverkauf zu 250 Euro landete ein „frisches und perfekt durchstochenes Exemplar (rückseitig etwas aufgerauht)“, gebraucht mit seltener Entwertung durch den blauen Zweikreisstempel „HAMBURG ST.P. 11/9 67“ mit Befund Estelmann BPP. Keinen Bieter fand ein Duo von zwei Marken zu 120 Euro als „je ausgabetypisch durchstochene Prachtstücke (einmal voller Durchstich innerhalb der Scherentrennung links)“, eines entwertet mit Zeilenstempel, das andere mit Zweikreiser von Helgoland, signiert Lemberger.
„Gestempelte Paare sind selten!“, vermerkte die Losbeschreibung zu einem – für 220 Euro unverkauften – waagerechten Doppelstück mit zentrischem Einzeiler „(H)ELGOLAND“, die Marken farbfrisch, aber „rechts winzig eckrund und kleiner Durchbruch bei Kopfprägung, sonst einwandfreie Erhaltung“. Selbst für 30 Euro fand eine Gestempelte mit kleinen Beanstandungen keinen Käufer, als echt signiert Schulz BPP.
Marken zu Einsteigerpreisen
Die günstigste Sorte mit Königin Victoria von 1867, MiNr. 3 zu 2 Schilling, ist echt gebraucht, sauber durchstochen und gestempelt sowie geprüft zu Preisen um 30 Euro zu finden. Postfrisch bietet sie bei 20 Michel-Euro die günstigsten Einstiegskurse des gesamten Sammelgebiets. Sogar Originalbogen zu 50 Marken waren in jüngster Zeit noch mehrfach zu haben. Eine solche Einheit mit Mängeln brachte 210 Euro; ein anderer, gering angetrennter Komplettbogen schloss bei Rauhut zu 290 plus Aufgeld. Bei solchen Offerten ist anzumerken, dass die Marke auf Feld 1 einen klar erkennbaren Plattenfehler aufweist: die linke obere Wertziffer „2“ ist unten verstümmelt, die rechte obere dicker, und die ersten Buchstaben „SC“ von „SCHILLING“ sind etwas größer ausgeführt. Als postfrische Bogenecke von links oben war diese Abart MiNr. 3 II in den vergangenen Monaten zu 40 bis 50 Euro zu haben. Beim einstigen Höchstwert, der Nr. 4 zu 6 Schilling, betrug die Druckauflage 100 000 Stück. Davon wurde aber nur ein kleiner Anteil verbraucht, sodass größere Restbestände später in den Handel kamen und günstige Preise ermöglichten. Dennoch ging es nach Michel in der Euro-Ära in allen Erhaltungsformen aufwärts: postfrisch von 30 auf 40, während echt gebrauchte Stücke von 320 auf 600 Euro schossen. Ein vollständiger Originalbogen zu 50 Marken in postfrischer Erhaltung mit allen vier Bogenrändern war vor kurzem für 800 Euro ausgerufen. Für ein gestempeltes Kabinettstück der durchstochenen 6 Schilling dunkelgraugrün / lilarosa mit Attest Pfenninger wurden bei Rauhut 180 Euro bewilligt. 145 brachte eine rundgestempelte MiNr. 4 auf Briefstück, einwandfrei geprüft Engel BPP.
Text: Michael Burzan
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