Bestsellerautor aus Polen: Henryk Sienkiewicz
Der polnische Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger Henryk Sienkiewicz, gestorben vor hundert Jahren am 15. November 1916, ist heute außerhalb seines Heimatlandes nur noch wenigen Literaturliebhabern bekannt. Zu seinen Lebzeiten war das anders: Sienkiewicz hatte 1896 mit seinem antiken Christenepos „Quo vadis?“ einen internationalen Bestseller gelandet, von dem allein bis 1901 in der englischsprachigen Welt fast zwei Millionen Exemplare abgesetzt wurden. Der Mix aus Christenverfolgung, Gladiatorenkämpfen und Liebesdrama war Unterhaltungsliteratur im besten Sinne des Wortes. Noch 1951 reichte der Nachruhm dieses Historienromans, um daraus einen bis heute bekannten Hollywood-Monumentalfilm zu machen. Unvergessen: Peter Ustinov als verrückter römischer Kaiser Nero, der die Stadt Rom anzündet.
Spannung und Erbauung
Sienkiewicz, geboren 1846 im damals russischen Teil Polens, hatte sich zunächst als Journalist versucht. Der umtriebige und reisefreudige Mann arbeitete als Auslandskorrespondent für verschiedene polnische Zeitungen, berichtete aus Amerika und Afrika und lebte viele Jahre im europäischen Ausland. Sein Heimatland Polen ließ sich zu seinen Lebzeiten auf der Landkarte nicht finden. Polen war Ende des 18. Jahrhunderts zwischen Preußen, Österreich und Russland aufgeteilt worden.
Der Schriftsteller verfasste eine Romantrilogie zur polnischen Geschichte des 17. Jahrhunderts und einen Kreuzritterroman, der den Kampf des polnischen Adels gegen die mittelalterlichen Deutschordensritter glorifizierte. Die gut recherchierten Historienromane waren spannend erzählt und stets mit dramatischen Liebesgeschichten verknüpft, sollten aber auch der patriotischen Erbauung und dem Widerstand der Polen gegen die Fremdherrschaft dienen.
Literatur und Politik
Dass in Polen das Literarische ein Teil der politischen Auseinandersetzung war, zeigte sich sinnfällig im Jahr 1898, als sich ein Komitee von Schriftstellern unter Führung von Sienkiewicz für die Errichtung eines Denkmals für den polnischen Dichter Adam Mickiewicz in Warschau einsetzte. Das zaristische Russland, antipolnisch eingestellt, versuchte die Aufstellung lange zu verhindern. Schließlich musste die Statue des Nationaldichters vor einer schweigenden Menschenmenge enthüllt werden. Die russischen Behörden hatten keine Reden erlaubt.
Der Nobelpreis
Den Nobelpreis erhielt Henryk Sienkiewicz im Jahr 1905 für sein „episches Gesamtwerk“ – und nicht nur für „Quo vadis?“. Der Preisträger sah nicht nur sich, sondern auch sein Land ausgezeichnet. In seiner Antwortrede bei der Verleihung des Nobelpreises im Dezember 1905 in Stockholm sagte Sienkiewicz: „Man konnte sagen hören, dass Polen gestorben ist, aber hier haben wir den Beweis dafür, dass es lebt und triumphiert.“
Sienkiewicz, der 1914 in die Schweiz gezogen war und dort einem Komitee zur Unterstützung polnischer Kriegsopfer vorstand, sollte die Wiedererrichtung eines eigenständigen polnischen Staates nicht mehr erleben. Erst mit dem Kriegsende im November 1918 entstand die Zweite Polnische Republik.
Den hundertsten Todestag ihres ersten Nobelpreisträgers feiern die Polen in diesem Jahr gebührend – mit einer landesweiten „Nationallesung“. Bekannte Persönlichkeiten bis hin zum polnischen Präsidenten Andrzej Duda lesen an öffentlichen Orten wie Schulen, Krankenhäusern und Bibliotheken aus dem Werk von Sienkiewicz. Der Vorlesestoff wurde in einer großen Umfrage ermittelt.
Gewonnen hat das bekannteste Werk des Autors. „Quo vadis?“ ist eben in Polen bis heute ein Bestseller.
Frauke Klinge