Marsianer und Zeitmaschinen: H. G. Wells
Eines Tages landen Außerirdische auf der Erde. Und leider entfaltet sich die negative Variante: Sie sind weder hier, um in harmloser Manier Zuflucht zu suchen, noch, um von den Erdlingen zu lernen oder um bald wieder abzureisen. Nein, diese Aliens wollen die Erde unterjochen. Und zwar mit gewaltsamen Mitteln.
Die Story ist heutzutage längst klassisch. Man kennt sie in vielen, immer wieder neu erscheinenden Abwandlungen. Etwa aus dem Hollywood-Blockbuster „Independence Day“. Dessen zweiter Teil läuft gerade mit einigem Erfolg in den Filmpalästen der Welt. Und es zeigt sich: Abgenutzt ist das Thema einer doch irgendwann einmal geschehenden Begegnung von Mensch und Außerirdischen nicht. Egal, wie sie dann verläuft: Kriegerisch und actionreich, mysteriös, anrührend oder gar skurril und voller lustiger Pannen.
Für bare Münze genommen
Im Jahr 1898 veröffentlichte der Autor H. G. Wells sein berühmtes Werk „The War Of The Worlds“ („Der Krieg der Welten“). Und da war das Szenario neu und ein echter Schocker. Der Roman wurde mit den Jahren ein Welterfolg. Und der heute vor genau 150 Jahren geborene Schriftsteller ein Pionier und Klassiker der „Science Fiction“-Literatur.
Legendär auch die Geschichte, als der große Schauspieler Orson Welles den „Krieg der Welten“ 1938 im amerikanischen Radio als Hörspiel inszenierte: Einige Zuhörer nahmen die Geschichte für bare Münze und bekamen ziemliche Angst. Man sieht: So unheimlich und versiert wird das bedrohliche Geschehen in Wells‘ Meilenstein erzählt.
Bakterien retten die Welt
Natürlich ist es immer wichtig, wie die Außerirdischen überhaupt aussehen: Handelt es sich um grüne Männchen, schleimige Tentakelmonster, völlig unfömige „Blobs“ oder ätherisch-körperlose Erscheinungen? Die „Marsianer“ bei Wells gehören in die zweite Kategorie. Sie sind furchterregende Wesen, die auf hochbeinigen Riesenmaschinen und mit chemischen Waffen durch das Vereinigte Königreich marodieren. Mit freundlichen und niedlichen Gestalten wie dem fragilen E.T. oder dem haarigen Weltraumchaoten ALF, die ihnen viele Jahrzehnte später nachfolgten, haben sie auf jeden Fall nichts gemeinsam.
Am Ende, auch das ein genialer Einfall von Wells, scheitern die Eindringlinge bei der Versklavung der Menschheit erst aus gesundheitlichen Gründen: Auf irdische Bakterien ist das marsianische Immunsystem nämlich einfach nicht vorbereitet. Es setzt ein Marsianer-Massensterben ein. Unappetitlich.
Was wäre wenn?
Was daran typisch ist: Es handelt sich um eine handfeste, wissenschaftlich plausible Wendung im phantastischen und dramatischen Plot. Und das ist kein Wunder: Denn Herbert George Wells hatte Naturwissenschaften studiert, auch Wissenschaftliches im Bereich der Biologie veröffentlicht. Und Science Fiction vereint ja nun einmal beides: Wissenschaft und Fiktion, Logik und Phantasie. Wells war von beidem fasziniert. Und auch von der Frage: Was wäre wenn? Wenn Ausserirdische auf die Erde kämen? Oder wir selbst Expeditionen im Weltall unternähmen. Wenn Zeitreisen möglich wären. Ist so Etwas denkbar und vielleicht gar nicht so weit vom Möglichen entfernt?
Blick in die Zukunft
Dem Thema „Zeitreisen“ widmete sich Wells schon im Jahr 1898 mit seinem Roman „The Time Machine“ („Die Zeitmaschine“). Auch dies ein Vorreiterwerk für die Science Fiction des kommenden Jahrhunderts. Und es zeigt etwas Wichtiges: Sein Autor interessierte sich sehr für den hypothetischen Blick in die Zukunft: Dafür, wie die Erde, wie Gesellschaften einmal aussehen könnten. Dies beschäftigte Wells sogar noch mehr als technologische Spekulationen.
Schlimmer als Fiktion
Manches in Wells‘ Oeuvre ist pessimistischen Tons: Denn das, was sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf dieser Erde abspielte, war noch viel schlimmer als sein fiktionaler Krieg der Welten. Die zwei Weltkriege, die totalitären Gewaltregime und am Ende seines Lebens noch die Atombombe: Das alles sorgte dafür, dass der Autor starke Zweifel an einer erquicklichen Zukunft der Menschheit hatte. So handelt es sich bei diversen Werken von H. G. Wells um negative Zukunftsvisionen.
Doch ganz entschieden war er in diesem Punkt nicht. Ob „dystopisch“ oder „utopisch“: Was den Kenner von „Evolutionstheorie“ und „Marxismus“, zwei großen, neuen Ansätzen seiner Gegenwart, im Grunde immer umtrieb, war die Frage nach der Natur des Menschen. Und auch nach dessen Fähigkeit sich zu entwickeln. Auch in diesem Licht können die Entwürfe kommender Zeiten in seinen berühmten Romanen gesehen werden.