In das Herz des australischen Kontinents
Von Süden nach Norden, von Adelaide bis zum Van-Diemen-Golf an der Nordküste und wieder zurück – dies war die enorme Strecke, die John McDouall Stuart und seine Männer in den Jahren 1861 – 1862 schließlich zurücklegten. Unter größten Anstrengungen und härtesten Bedingungen von Hitze und Dürre, Kälte und Regen, Hunger und Durst drang der Entdecker dabei weit in das tiefste australische Landesinnere vor. Er war zwar nicht der erste, dem die Durchquerung des riesigen Landes gelang. Denn die Expedition von Robert O‘ Hara Burke und William John Wills kam ihm damit knapp zuvor. Doch es war besonders Stuart, der mit seinen genauen und ausgiebigen Erkundungen, Vermessungen und Aufzeichungen den Weg für die weitere Erschliessung des Kontinents – speziell durch den Bau der „Overland Telegraph Line“ und der Eisenbahnverbindung namens „Central Australia Railway“ – in den folgenden Jahrzehnten ebnete. John McDouall Stuart wurde vor genau 200 Jahren, am 7. September 1815, geboren.
1839 kam er nach einer mehrmonatigen Schiffsreise aus seiner schottischen Heimat in der britischen Kolonie an. Allgemein war man damals bestrebt, das zu großen Teilen unbekannte Land weiter zu besiedeln, in Besitz zu nehmen und zu erkunden. Dabei sollten Wasserquellen, Bodenschätze und Weideland gefunden werden. Und so war Stuart schon im Jahr 1844 bei einer Expedition des Militärs Charles Sturts dabei. Im Zuge dessen konnte er, der in seiner Heimat zum Ingenieur ausgebildet worden war, sich als Landvermesser und Kartografierer auszeichnen.
Als er im Winter 1859 zum ersten Mal zur Durchquerung des riesigen Kontinents aufbrach, verfügte er daher nicht nur über ein gewisses Renommee, sondern vor allem auch schon über einige Erfahrung und Kenntnis von den Hindernissen und Gefahren sowie den Besonderheiten der australischen Wildnis. Und die landschaftlichen Phänomene, der dichte Busch, die kargen Wüsten, das monumentale und harte Felsgestein des fremdartigen Landes sowie das Leben in der Natur überhaupt faszinierten ihn über alle Maße. An Lust, Entschlossenheit und Mut, noch weiter in das Unbekannte und bis zum Mittelpunkt des Kontinents vorzustoßen, fehlte es Stuart nicht. Und wenngleich er, was Ausstattung und Personal betraf, dem Prinzip maximaler Beschränkung folgte, mangelte es auch nicht an Mitteln. Denn einige Jahre zuvor hatte sich Stuart mit William Finke und den Brüdern James und John Chambers angefreundet, die sich als wohlhabende Geldgeber in die Expeditionen des getriebenen Schotten einschalteten. Vonseiten der Regierung winkte außerdem eine ansehnliche Prämie, wenn das große und waghalsige Vorhaben gelänge, das durch die Möglichkeit gewaltvoller Begegnungen mit australischen Ureinwohnern nicht weniger riskant wurde.
Tatsächlich mussten zunächst mehrere Versuche wegen Erschöpfung, Krankheit, dem Verlust von Pferden und Nahrung sowie der unnachgiebigen Witterung abgebrochen und die vorzeitige Rückkkehr angetreten werden. Doch schließlich erreichte Stuarts Expedition, nachdem man im Oktober des Vorjahres losgezogen war, am 24. Juli 1862 die nördliche Küste Australiens. Und als die Gruppe im Dezember desselben Jahres wiederum nach Adelaide zurückkehrte, waren, anders als bei der während ihres Rückwegs unglücklich und für fast alle Teilnehmer tödlich geendeten Unternehmung von Burke und Wills, alle Mitglieder der Mannschaft am Leben.
Einer der größten Feinde des Entdeckers war zu Stuarts Zeiten der Skorbut. Und auch er, der zudem mehrere Male dem Verdursten und -hungern nahe gewesen und nur knapp mit dem Leben davongekommen war, hatte wiederholt mit der Vitaminmangelkrankheit gerungen. Am Ende seiner jahrelangen, erfolgreichen Reise durch ganz Australien, war Stuart ein schwer von den abenteuerlichen und kräftezehrenden Erlebnissen seiner jüngeren Vergangenheit gezeichneter Mann.
In London ehrte ihn Königin Victoria, und man entlohnte ihn mit mehreren tausend Pfund und einigem Land. Um sich dessen zu erfreuen, blieb Stuart jedoch kaum noch Zeit. Er erzählte zwar noch selbst von seinen spannenden Entdeckungsreisen in, wie er schrieb, „diesem mysteriösen Land“. Sein tagebuchartiger Bericht „Explorations in Australia. The Journals of John McDouall Stuart“ wurde 1864 veröffentlicht. Doch schon zwei Jahre später starb der schottische Pionier, der bis in das Herz des australischen Kontinents vorgestoßen und von dort zurückgekehrt war. Er wurde nur 50 Jahre alt.