Lebensrettung aus dem Labor
In unzähligen heute noch verwendeten Begriffen der Medizin taucht seine Name auf. Ehrlich-Seitenkettentheorie, Ehrlich-Fingerversuch, Ehrlich-Reagenz, Ehrlich-Tumor – um nur einige zu nennen. Er ist der Begründer der Chemotherapie, revolutionierte mit seiner organischen Arsenverbindung Salvarsan, mit der er erstmals eine medikamentöse Behandlung gegen Syphilis ermöglichte, die Medizin. 1907 entdeckte er nach unzähligen Versuchen in seinem Labor die wirksame Arsenpille. 1909 fabrizierte die Firma Hoechst das Präparat in Serie, sodass die Weiße Pest, die seit Ende des 15. Jahrhundert Europa heimsuchte, erstmals ohne den Einsatz des giftigen Quecksilbers bekämpft werden konnte. Vor der Entdeckung der Arsenverbindung behandelte man Syphilispatienten, indem ihr ganzer Körper mit Quecksilber bestrichen wurde. Dies hatte extreme Nebenwirkungen zur Folge. Den Kranken fielen Zähne und Haare aus. Sämtliche Körperfunktionen verfielen. Bis in die Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts, als Penicillin und Antibiotika das Arsenpräparat verdrängten, setzte man das von Paul Ehrlich und Sahachiro Hata entwickelte Medikament ein. Viele Menschen verdanken den beiden Wissenschaftlern ihr Leben.
Der am 14. März 1854 im schlesischen Strehlen geborene Paul Ehrlich verbringt den Großteil seiner Freizeit bei seinem Vetter. Sein Vater, ein Likörfabrikant und Lotterieeinnehmer ist rein beruflich kein Vorbild für den Jungen. Sein Vetter Carl Weigert, Chemiker und Pathologe an der Universität Breslau, übt hingegen einen großen Einfluss auf den Jungen aus. Als seine schulische Ausbildung am Gymnasium in Breslau zu Ende geht, entscheidet sich Paul Medizin zu studieren. Er verfolgt jedoch keineswegs den Gedanken, praktizierender Arzt zu werden. Vielmehr möchte er sich auf dem Gebiet der chemischen Forschung einen Namen machen.
An der Universität Straßburg, an der Paul sein Studium beginnt, erkennt der Chemiker Adolf von Baeyer Pauls Begeisterung für die Chemie und fördert seine Leidenschaft. Seine ersten Erfahrungen im Labor macht der junge Wissenschaftler mit der Färbung physiologischer Präparate. In Straßburg entdeckt Paul auch die Mastzellen im Bindegewebe. Er kehrt schließlich nach Breslau zurück, um seine Arbeiten unter dem Physiologen Rudolf Heidenheim und dem Pathologen Julius Cohnheim fortzuführen. Nach seiner Promotion 1878 in Leipzig führt sein Weg nach Berlin, wo er neun Jahre als Assistent und Oberarzt in der Charité tätig ist. Theodor von Frerich führte zuvor an seiner Klinik naturwissenschaftliche Untersuchungsmethoden ein. Das kommt dem chemisch interessierten Paul zu gute. Er begründet in Berlin die Analyse des Blutbildes unter dem Mikroskop mit Hilfe der Vitalfärbung.
Als er 1883 die Industriellentochter Hedwig Pinkus, mit der er zwei Töchter bekommt, heiratet, tritt ein weiterer Förderer in sein Leben. Sein Schwiegervater erweist sich als sehr großzügig. Er unterstützt seine Arbeiten, weshalb sich Paul Ehrlich nun ausschließlich der Forschung widmen kann. Seine Freundschaften zu Robert Koch und Emil von Behring erwecken zunehmend Ehrlichs Interesse an der Erforschung der Immunität. 1883 entdeckt er somit die Diazoreaktion, die dem Nachweis von Infektionskrankheiten im Harn dient. Seine Erfolge bringen ihm 1884 schließlich eine Anstellung als Professor in Berlin ein. Er habilitiert im Fach Innere Medizin.
Dann folgt ein Schicksalsschlag. Während seiner Laborarbeiten handelt er sich eine Tuberkelinfektion ein. Um sich von dieser Erkrankung erholen zu können, verlässt er Deutschland und seine Arbeit für einige Monate. Er begibt sich nach Ägypten, um dort Ruhe zu finden. Als er 1889 zurückkehrt, gibt er seine Arbeit jedoch keineswegs auf. Er richtet sich ein kleines Privatlabor in Berlin ein, um dort seine Forschungen fortzuführen.
Als er 1890 zusammen mit Robert Koch am neuen Berliner Institut für Infektionskrankheiten tätig ist, glücken ihm weitere medizinische Durchbrüche. Gemeinsam mit Behring gelingt es ihm, Tiere gegen Diphterie zu immunisieren. Aus diesen Forschungen heraus leiten sich schließlich Behrings und Ehrlichs Methoden zur experimentellen Chemotherapie ab. 1893 setzt der verantwortliche Arzt der Kinderklink das von den beiden Forschern entwickelte Serum gegen Diphterie an kranken Kindern in der Charité ein, woraufhin Behring als „Retter der Kinder“ in die Medizingeschichte eingeht.
Für seine Forschungen auf dem Gebiet der Immunologie erhält Paul Ehrlich 1908 den Nobelpreis für Medizin. Er empfängt zudem weitere wichtige Auszeichnungen und wird Mitglied in mehreren wichtigen wissenschaftlichen Gesellschaften. Mediziner aus der ganzen Welt schätzen die Ergebnisse seiner Forschung, die er nach den Erfolgen mit Behring im neu eingerichteten Institut für Serumforschung- und Serumprüfung weiterführt. Aus der ganzen Welt setzen sich junge Mediziner mit ihm Verbindung um von ihm zu lernen. Als Ehrlich vor genau 100 Jahren im Alter von 61 Jahren verstirbt, bezeichnet ihn sein Kollege und Freund Alexander Ellinger auf der Trauerfeier als „Fürst der Wissenschaft, der reich durch Ehren machte, reicher noch durch das, was er der Welt gegeben hat“. Ohne Zweifel kann Ehrlich, der so viele Erfolge mit seiner Laborarbeit erzielte, als ein Retter der Menschen bezeichnet werden.
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