Documenta: Umgeben von Kunst

Arnold Bode auf Briefmarke von 2000

Arnold Bode rief die documenta im Jahr 1955 ins Leben, MiNr. 2155.

Vor genau 60 Jahren öffnete sie zum ersten Mal ihre vielen Türen. Buchstäbliche und metaphysische Pforten waren und sind es, die Besucher der „documenta“, ob leidenschaftlich und professionell kunstbegeistert oder nur interessiert und neugierig, während 100 Tagen in eine große und tiefe sowie in unzählige kleine Kunstwelten führen. Geschaffen von Künstlern aus der ganzen Welt, versammelt unter der Ägide eines Künstlerischen Leiters und Kurators, der mithilfe eines großen Teams seine jeweilige Idee, ein sorgfältig erdachtes und der internationalen Öffentlichkeit exakt, aber nicht leicht zu vermittelndes Konzept umsetzen möchte und dabei zeitgenössische Kunstwerke in sehr großer Zahl arrangiert. Der Träger dieser verantwortungsvollen und viel kritisierten Rolle muss mutig eine präzise Bestandsaufnahme und zugleich inspirierte Vision erarbeiten und vertreten. Sie soll die Kunst in der fachlichen sowie weltpolitischen Gegenwart und unmittelbaren Zukunft verorten, soll sichtbar machen und reflektieren, kritisieren und Perspektiven sowie Wege in vielen, nicht nur künstlerischen oder kunstbetrieblichen, sondern nicht zuletzt in gesellschaftlichen Fragen aufzeigen. Wer die teils extra errichteten Hallen, teils historischen Gebäude und die künstlerisch gestalteten Außenräume des zunächst alle vier, seit 1972 alle fünf Jahre stattfindenden Großeignisses documenta betritt, kann gar nicht anders als über den gewöhnlichen Tellerrand hinauszuschauen. Denn er ist umgeben von Kunst.

Und die documenta ist längst die weltweit größte Kunstausstellung überhaupt. Zuletzt, im Jahr 2012, zog sie als „Documenta 13“ unter der Leitung von Carolyn Christov-Bakargiev und mit den Arbeiten von 187 Künstlern zwischen dem 9. Juni und 16. September 860 000 Menschen in die hessische Stadt Kassel, die sich auf ihrem Ortsschild auch als „documenta-Stadt Kassel“ ausweist.

Briefmarke-Documenta-10-1997Dort findet die documenta statt, seit ihr Initiator und zumindest selbsterklärter Namensgeber, der 1977 verstorbene Kasseler Künstler, Kunstprofessor und Architekt Arnold Bode, schon zu Beginn der 1950er-Jahre daran arbeitete, anderen kulturellen bundesrepublikanischen Großereignissen wie der Bundesgartenschau eine Veranstaltung im Interessens-und Betätigungsfeld seiner Wahl zur Seite zu stellen. Tatsächlich war dies ganz unmittelbar der Fall, denn beide, die Garten- und die Kunstschau, fanden 1955 zeitgleich sowie mit Kassel an demselben Ort statt. Dass die Fläche, der Lebens- und Wohnraum, der Stadt Kassel auch unter künstlerischer Maßgabe gestaltet werden solle, war auch jenseits von documenta-Aktionen immer wieder Forderung Bodes.

Briefmarke-Documenta11Wesentlicher Zweck der ersten, von 130 000 Menschen besuchten Ausgabe der documenta von 1955 war es, ein Deutschland, das noch von der aggressiven Ideologie und kulturellen Zensur des Nationalsozialismus gezeichnet war, wieder mit der zeitweise so radikal vefemten Kunst der jüngeren Vergangenheit und „Moderne“ bekanntzumachen und dieser einen Ort in der nunmehr freiheitlichen Nachkriegsgesellschaft zu verschaffen. Bald darauf, bei der „documenta 2“, konnte man sich dann schon stärker auf die Entwicklungen der unmittelbaren Gegenwart konzentrieren und zeigte auch die aktuell hochpopulären Künstler des „Abstrakten Expressionismus“ aus den USA.

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In den folgenden Jahrzehnten war die Ausstellung immer weniger retrospektiv, gab sich mal mehr, mal weniger politisch, beleuchtete das Individuum inmitten der technisierten und kapitalistischen, zunehmend globalisierten Welt und thematisierte weltweite Unterschiede zwischen arm und reich, Macht und Ohnmacht. Ob stärker auf Gefühl und Sinnlichkeit oder Theorie und Wissenschaft, auf den Einzelnen oder die Gesellschaft abgehoben wurde, die documenta schaffte es oft, ihren Ansprüchen in vielerlei Hinsicht gerecht zu werden. Immer wurde bei den Besuchern und in der Öffentlichkeit viel nachgedacht, diskutiert und geschrieben über die jeweilige Leitidee und schwerpunktmäßig behandelte Themen. Und stets wurde dabei nicht zuletzt eines sichtbar und registriert: die besondere Rolle, die Fähigkeit der Kunst genau dafür zu sorgen. Dreimal erschien die Documenta bisher auf deutschen Briefmarkenausgaben, zuletzt mit einer falschen Jahreszahl (1963) auf dem Blockrand …


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Authored by: Marius Prill

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