Der Dämon an der Geige
Grenzenlos exaltierte, neuartige und ungewöhnliche Kunstgriffe und Klänge in wahnwitzigem Tempo und ungekannter Lebendigkeit. Dabei bis zum schieren Zweifel reichendes Staunen beim begeisterten Publikum und den Kritikern: Es konnte eigentlich nicht mit rechten Dingen zugehen, was dieser Musiker, für den der Begriff „Teufelsgeiger“ überhaupt gemacht wurde, mit seinem Instrument anstellte. Und in welch luftige Höhen der Virtuosität er damit furchtlos vorstieß. Die Violine, die bei ihm als eindeutig vorrangiges Soloinstrument erklang, wirkte wie eine belebte hölzerne Verlängerung der Seele des Niccolò Paganini (1782-1840). Oder führte sie für ihn sogar ein eigenständiges Leben? Lag das Instrument dem Ausnahmekünstler aus Genua doch im Arm wie eine Geliebte und ergriff von ihm zugleich Besitz wie eine Verführerin, der obsessiv zu erliegen immer wieder seine Bestimmung war. Paganini, der gerade in seinen frühen Mannesjahren zum fast zwanghaften Glückspiel neigte, gab der Geige das Meiste seiner Energie und irdischen Zeit. Mit ihr spielte er nicht nur um sein Leben. Seit seiner bereits durch endlose Übungsstunden, zu denen ihn sein herrischer Vater trieb, geprägten Kindheit war die Violine sein Leben.
Und es war früh klar, dass Paganini hauptberuflicher Musiker sein würde. Er studierte an keiner Hochschule, war jedoch überaus talentiert, erhielt gelegentlichen, aber ausgesucht hochqualitativen Unterricht und lernte sonst weitgehend autodidaktisch. Schon im minderjährigen Alter ging er auf Konzerttourneen, die sich bald als ausgesprochen einträglich erwiesen. Und der Geiger komponierte: Paganini war nicht nur Instrumentalist, sondern schuf auch zahlreiche eigene Werke, etwa seine höchst anspruchsvollen Violinkonzerte. Bekannt auch die „Capricci“, diverse Solo-Kompositionen für die Violine, welche die bevorzugten spielerischen Elemente und Markenzeichen des Meisters in Szene setzen und gleichzeitig Lehrstücke für aspirierende Geiger darstellen. Dass Paganini außerdem noch ein sehr guter Gitarrist war, kann wegen seiner geschichtlichen Bedeutung für das Violinenspiel leicht in den Hintergrund treten.
Man vermutete denn einen Pakt oder gar die Personalunion mit dem Teufel sowie magische Wirkungen von Geigensaiten aus menschlichem statt tierischem Gedärm. Johann Wolfgang von Goethe, wiewohl nicht restlos überzeugt von dessen Talent, attestierte Paganini eine typische künstlerische Energie nicht teuflischen, wohl aber damönischen, andersartigen und mysteriösen, Charakters. Derartige Erklärungen seiner außergewöhnlichen Kunst und technischen Fähigkeiten wurden auch dadurch begünstigt und befeuert, dass sich der schwarz gekleidete, langmähnige, ausgezehrt wirkende und nach therapeutischem Quecksilberkonsum beinahe zahnlose Paganini während seiner Zeit jenseits der Bühne nicht besonders kommunikativ gab. Im Rahmen seiner Auftritte hingegen sprach er das Publikum mit musikalischen Mitteln unbedingt an. Er trieb sogar Scherze, imitierte spielerisch Geräusche, beispielsweise Tierrufe, mit seinem Instrument. Und er sorgte geschickt dafür, dass seine Zuschauer und -hörer in Verzückung, ja in regelrechte Ekstasen gerieten. Auf seinen vielen und langen Konzertreisen begleitete den kräftemäßig oft angegriffenen und kränklichen Paganini nicht eine Ehefrau, sondern sein unehelicher Sohn. Bei alldem schien der in ganz Europa berühmte Italiener ein schillernder Künstler und gleichzeitig geheimnisvoller Mensch zu sein. Die mal mehr, mal weniger fantastischen Gerüchte, die vom Vorwurf raffgierig oder ein unsittlicher und -kirchlicher Lustmolch zu sein bis zu besagten, durchaus ernsthaften Spekulationen über seine unmenschliche Natur reichten, hielten stets an.
So blieb die exzentrische und düstere Figur Paganini weit über seinen unzeitigen Tod im Alter von 57 Jahren bestehen. Bestimmt allerdings setzte der Violinist und Komponist neue und bis heute relevante Maßstäbe an seinem Instrument. Niccolò Paganini, dieser Dämon an der Geige, starb vor genau 175 Jahren, am 27. Mai des Jahres 1840. Auf Briefmarken ist er bisher in Slowenien, Italien, Monaco – und in Mosambique gewürdigt worden.
Interessant zu wissen, dass Paganini nicht nur ein Instrumentalist, sondern auch ein Komponist war. Meine Tante mag klassische Musik seit frühem Kindesalter. Sie mag am besten Symphonien, in denen die Geige eine leitende Rolle spielt.