William Turner: Anbetung des Lichts
Joseph Mallord William Turner gilt als einer der bedeutendsten britischen Künstler des 19. Jahrhunderts. Mit seinen Bildern, die speziell für ihre stimmungsvollen und eindrücklichen Darstellungen von Lichtverhältnissen berühmt sind, war der am 23. April 1775 geborene Londoner einer jener romantischen Maler, die den Weg für den Impressionismus und auch für die abstrakte Kunst der Moderne ebneten. Turner beschäftigte sich in seiner Arbeit gerne mit Landschaften und Wasser. Und dies nicht unbedingt auf eine nur harmonische oder harmlose Art und Weise: In seinen Gemälden finden sich schemen- und silhouettenhafte Schiffe auf einer tiefen und bewegten See, inmitten diesig-grauen Nebels. Manchmal brennen sie auch, und in den allermeisten Fällen befinden sie sich unter verschwimmenden Himmeln und werden subtil durchschienen und durchschimmert vom Licht des Feuers und der Sonne. Letztere soll der Künstler mit seinen letzten Worten in regelrechter Anbetung des Lichts ehrfurchtsvoll als Gott bezeichnet haben.
Mit intensiven und leuchtenden Farben erzeugte Turner vor allem starke Atmosphäre, auf eine abbildend-realistische Darstellung kam es dabei nicht an. So bewegte er sich mit seiner Konzentration auf Stimmungen angesichts der wahrgenommenen Natur und Umwelt – Turner malte übrigens auch die frühen Dampfschiffe und Eisenbahnen in ihrer übermenschlich-erhabenen Geschwindigkeit und Kraft – auch in Richtung der nicht-gegenständlichen Malerei. Was bei Zeitgenossen auch Unverständnis, ja sogar Spott hervorrief.
Doch war Turner ganz und gar kein zu Lebzeiten verkannter Künstler: Zu Beginn des neuen Jahrhunderts war er bereits Mitglied der Royal Academy of Arts – wo er als junger Mann auch einmal ein Stipendium erhalten hatte – und erfreute sich eines beständigen Einkommens. Später unterrichtete er auch selbst an der königlichen Akademie, nämlich als Professor für Perspektive in der Malerei. Ein Individualist und Einzelgänger war Turner nichtsdestotrotz, bisweilen avantgardistisch in seiner Arbeit und auch privat exzentrisch und eher unzugänglich. Mit den Müttern seiner beiden unehelichen Töchter lebte er nicht zusammen, stattdessen beherbergte das Turnersche Haus bis zu dessen Tod den geliebten Vater William. Dieser war ein ehemaliger Friseur, der an seinen malenden Sohn stets glaubte. Eigenwillig auch eine künstlerische Methode Turners, bei der er seine Arbeiten bespuckte und dann unter Verwendung der eigenen Körperflüssigkeit weitermalte.
Der Künstler William Turner reiste viel und fuhr an Bord der Transportdienste leistenden, dampfbetriebenen Symbole der aus England kommenden Industrialisierung durch diverse europäische Länder. In diesem auch motivisch umgesetzten Interesse für seine technisierte Gegenwart unterschied er sich von den meisten künstlerischen Vertretern der Romantik. Schwelgten diese doch typischerweise lieber sehnsuchtsvoll in der Vergangenheit und bestaunten die unberührte Natur, als dass sie modernen Technologien und nüchterner Rationalität im Leben der Menschen irgendetwas Faszinierendes abgewinnen konnten.
William Turner starb am 19. Dezember 1851. Anerkannt, wohlhabend und auf ein bemerkenswertes Oeuvre blickend, vermachte er seine Werke der Öffentlichkeit. Der Staat, so sein Wunsch, sollte seine Bilder ausstellen und verwahren, sodass die nachweltliche Allgemeinheit seine Kunst erleben könne.
2014 lief in den Kinos ein Film vom englischen Regisseur Mike Leigh über das Leben des Künstlers, der einiges Lob erntete. Turner wird darin vom englischen Schauspieler Timothy Spall verkörpert, der für seine wortkarg-grantlerische und doch so feinsinnige und malerisch ausdrucksstarke Darstellung des Künstlers unter anderem bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes ausgezeichnet wurde.
Ein schöner Beitrag über William Turner. Wer sich für diesen Maler plus Philatelie interessiert, kann Mitte Mai nach London zur Europhilex fahren und dort auch der Tate Gallerie einen Besuch abstatten, wo es eine bemerkenswerte Sonderausstellung mit zahlreichen Gemälden Turners gibt. Da wirkt das „eingefangene Licht“ natürlich noch anders als auf zentimetergroßen Briefmarken. kö