„Ähnliches mit Ähnlichem“ behandeln
Auf die Annahmen Christian Friedrich Samuel Hahnemanns geht die „Homöopathie“ zurück. Jenes alternative Heilkonzept, das es seit dem Geburtstag Hahnemanns am 10. April 1755 zu einiger Verbreitung gebracht hat. Eigentlich kam der gebürtige Meißener jedoch aus der akademischen Medizin. Er studierte das Fach an den Hochschulen in Leipzig, Wien und schließlich in Erlangen. Doch übersetzte, schrieb und veröffentlichte Hahnemann, der in der französischen, englischen und italienischen Sprache bewandert war, auch gern. Damit, statt nur oder hauptsächlich mit dem Arztberuf, verbrachte der sächsische Doktor nicht wenig Zeit. Und dies kam nicht nur daher, dass Hahnemann, der Vater von insgesamt elf Kindern war, Geld verdienen wollte. Es hatte auch mit seinem Unbehagen an der medizinischen Praxis seiner Zeit zu tun, an der er nur ungern partizipieren wollte und die er kritisierte und zu verändern gedachte. Erschien dem ambitionierten Autor das gängige Vorgehen seiner Kollegen doch – zum Beispiel mit oft verordneten Aderlässen oder der großzügigen Verabreichung quecksilberhaltiger Medikamente – von allzu harten, nebenwirkungsreichen und unbekömmlichen, Behandlungsmethoden gekennzeichnet.
Als sich das 18. Jahrhundert in seinen letzten Jahren befand, nahm der nicht im wissenschaftlich-universitären, sondern im privaten Rahmen (und dabei auch im Selbstversuch) pharmazeutisch experimentierende Hahnemann einmal sogenannte Chinarinde zu sich, um ihre Wirkungen zu untersuchen. Besagte Rinde wurde üblicherweise zur Behandlung von Malaria eingesetzt. Das Gewebe vom Chinarindenbaum, so schien es Hahnemann, verursachte bei ihm als gesundem Individuum gerade jene Symptome, die es für gewöhnlich bei ärztlicher Verabreichung beheben sollte. Hahnemann schloss daraus – aus der beobachteten Entsprechung von Reaktionen bei krank/gesund – und im Zuge diverser weiterer Versuche mit anderen Stoffen, dass, wie er es formulierte, „Ähnliches mit Ähnlichem“ geheilt werden könne.
Mit dieser ihm in der Auswahl von Arzneistoffen Orientierung gebenden Richtschnur hatte Hahnemann das wesentliche und von Homöopathie-Anhängern bis heute befolgte Prinzip seiner Behandlungslehre gefunden. Deren namensgebender Begriff leitet sich dementsprechend auch von „hómoios“, dem griechischen Wort für „gleichartig“/„ähnlich“, ab. Um die homöopathischen Arzneien verträglich zu machen und gleichzeitig – so dachte Hahnemann – ihre Wirksamkeit durch sogenannte „Dynamisierung“ zu steigern, musste man auf ihre ausgesprochen starke Verdünnung setzen. Vor allem das „Organon der rationellen Heilkunde“ und die mehrbändige „Reine Arzneimittellehre“ sind die für die Homöopathie grundlegenden Werke. In ihnen publizierte Hahnemann seine Vorstellungen zum Heilungsprozess sowie seine handbuchartigen Symptom- und Arzneibeschreibungen zu Beginn des neuen Jahrhunderts.
Hahnemanns Homöopathie erfreut sich in der Bundesrepublik Deutschland der jüngeren Vergangenheit beständigen Zuspruchs und wird nicht nur von Heilpraktikern, sondern auch von manchen approbierten Ärzten ausgeübt. Kritiker weisen jedoch darauf hin, dass wissenschaftliche Studien die Wirkung homöopathischer Mittel nicht belegt und vielmehr ausschließlich Placeboeffekte nachgewiesen haben. Samuel Hahnemann wurde für seine Lehre noch zu Lebzeiten durchaus bekannt: seine Bücher verkauften sich in mehreren Auflagen, und in seiner wiederaufgenommenen ärztlichen Praxis brachte der Verfasser ihre sich bald europa- und auch weltweit verbreitenden Inhalte zur Anwendung. Als er 1843 an einer Lungenentzündung starb, hatte der beinahe 90 Jahre alte Urheber der Homöopathie seit einiger Zeit mit seiner zweiten Ehefrau – eine Französin namens Mélanie d’Hervilly, die sich mit der Zeit ebenfalls in der von ihrem Mann erdachten homöopathischen Praxis betätigte – in Paris gelebt.
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