Der parteilose Bundespräsident
Zwölf Jahre lang, von 1974 bis 1986, war Rudolf Kirchschläger österreichischer Bundespräsident. In seinem Amt und darüber hinaus erfreute sich der im Jahr 2000 verstorbene Jurist aus Oberösterreich allgemeiner Anerkennung und Beliebtheit. Wurde er doch als stets integer und konsequent auch angesichts widriger biografischer Umstände wahrgenommen. Zu Beginn der 1970er-Jahre wirkte Kirchschläger bereits als Außenminister im Kabinett des sozialdemokratischen Kanzlers Bruno Kreisky. Davor wiederum hielt er sich als Diplomat in der damaligen Tschechoslowakei auf. Kirchschläger setzte sich dort im Kontext des Prager Frühlings für die Sicherheit jener ein, die gegenüber Sowjetunion und Warschauer Pakt Liberalisierung forderten. Mit Erfolg plädierte er dafür, ausreisewilligen Bürgern der ?SSR in der österreichischen Botschaft Visa zu erteilen. Damit wich Kirchschläger von der ursprünglichen Position des damaligen Außenministers und späteren Bundespräsidentennachfolgers Kurt Waldheim ab.
In seinen jungen, vom Chaos des Zweiten Weltkriegs überschatteten Jahren erarbeitete sich der Stipendiat Kirchschläger den rechtswissenschaftlichen Hochschulabschluss mühselig. Seit seinem 11. Lebensjahr war er elternlos, und ähnlich früh verdiente Kirchschläger mit verschiedenen Tätigkeiten, unter anderem als Kohlenträger, Geld. Zwischenzeitlich musste er das Studium im dem Deutschen Reich angegliederten Österreich abbrechen, denn Kirchschläger weigerte sich, in die NSDAP einzutreten.
Als Soldat wurde er wiederholt verwundet, nach dem Ende des Krieges schlug Kirchschläger die Richterlaufbahn ein. Mitte der 1950er-Jahre arbeitete er allerdings schon als juristischer Experte im Bundeskanzleramt und im Auswärtigen Amt.
Nachdem sein Vorgänger Franz Jonas gestorben war, wurde der seit 1940 mit Herma Sorger verheiratete zweifache Familienvater am 23. Juni 1974 in das Bundespräsidentenamt gewählt. Bundeskanzler Kreisky sympathisierte mit dem Kanditaten Kirchschläger: Zum einen gehörte er nicht der bereits alleine regierenden SPÖ an, was im Sinn einer Balance der politischen Lager allgemein befürwortet wurde. Zugleich war Kirchschläger jedoch kein Mitglied der konservativen ÖVP.
1976 eröffnete das parteilose Staatsoberhaupt die Olympischen Spiele in Innsbruck. Acht Jahre später war Kirchschläger während Ronald Reagans Präsidentschaft noch der erste österreichische Bundespräsident, der die USA besuchte. Ins kollektive österreichische Gedächtnis ging speziell der Ausspruch zur „Trockenlegung“ von „Sümpfen“ und „sauren Wiesen“ der Korruption ein. Mit dem Kommentar, dass es „manchen vielleicht etwas altmodisch klingen möge“, tätigte Kirchschläger ihn 1980 aus Anlass eines großen Schmiergeldskandals im Zusammenhang mit dem Bau des neuen Wiener Krankenhauses.
Heute jährt sich der Geburtstag Rudolf Kirchschlägers zum 100. Mal.