Die Seeschlacht von Gangut
Am 27. Juli 2014 erschien in Russland ein Briefmarkenblock, der dem 300. Jahrestag der Schlacht von Gangut gewidmet ist. Abgebildet ist ein Gemälde von Maurice Baquoi, das sich in der Ermitage in Sankt Petersburg befindet.
Die Schlacht fand im Rahmen des Großen Nordischen Krieges statt. Gangut ist die russische Bezeichnung für den finnischen Ort Hanko. Da die Schlacht im Rilaxfjord ausgetragen wurde, ist sie auch unter diesem Namen in den Geschichtsbüchern zu finden. Im Großen Nordischen Krieg von 1700 bis 1721 ging es um die Vorherrschaft im Ostseeraum. Nach dem Dreißigjährigen Krieg hatte Schweden große Gebiete erhalten, so auch viele der deutschen Ostseehäfen. Schweden wurde dadurch zur führenden Großmacht Nordeuropas.
Peter I. (1672–1725) wollte Russland zu einer Großmacht machen. Dazu brauchte er aber den Zugang zu den Meeren, sowohl im Süden seines Landes als auch im Norden. Durch die Gründung von St. Petersburg sollte Russlands Tor zum Westen geöffnet und ein Seeweg über die Ostsee geschaffen werden. Doch dem widersetzte sich Schweden und so kam es zum Großen Nordischen Krieg. Die Kampfhandlungen erstreckten sich über fast alle Länder Nord- und Osteuropas, denn mit Dänemark – Norwegen und Polen – Sachsen standen weitere europäische Mächte Schweden gegenüber. So wundert es nicht, dass viele der Auseinandersetzungen in Polen stattfanden. Der junge schwedische König Karl XII. (1682–1718) konnte sogar bis in die heutige Ukraine vordringen und wollte Moskau belagern. Eine Wende zu Gunsten Russlands trat erst nach der Schlacht von Poltawa 1709 ein, in der das durch Kosaken verstärkte russische Heer Schweden vernichtend schlagen konnte.
Da die Schweden sogar St. Petersburg bedroht hatten, leitete Peter I. im Jahre 1713 eine Offensive in Finnland ein. Er konnte mit seinen Truppen bis nach Turku in Südwestfinnland vorrücken. Den Nachschub sollte die russische Flotte liefern, doch die Schweden behaupteten noch die Seeherrschaft. So konnten sie die Nachschubwege blockieren. Daraufhin sandte Peter die neue russische Flotte unter Admiral Apraxin in die Ostsee um die Nachschubwege freizukämpfen. Peter I. hatte die Bedeutung einer starken Flotte erkannt und rechtzeitig den Neubau zahlreicher Schiffe eingeleitet. Nicht umsonst hatte er sogar selber das Handwerk eines Schiffsbauers gelernt. An der Halbinsel Hanko im Südwesten Finnlands lag die schwedische Flotte unter Vizeadmiral Gustav Wattrang und versperrte die Durchfahrt. Apraxin rief daraufhin Peter um Hilfe an. Der Zar beorderte die Baltische Flotte nach Hanko und stellte sie unter sein persönliches Kommando. Der erste Versuch, die schwedische Linie zu durchbrechen, scheiterte. Man wollte die Schiffe über die Halbinsel ziehen, doch sie erlitten dabei Schäden. Schweden schickte eine kleine Einheit von elf Schiffen unter dem Kommando von Konteradmiral Nils Ehrenskiöld los, um die Russen abzufangen. Peter ordnete am 26. Juli 1714 (7. August 1714 nach dem gregorianischen Kalender) einen zweiten Durchbruchsversuch mit 20 kleinen Schiffen an. Bei den russischen Schiffen handelte es sich meist um Galeeren, die gerudert wurden und da sie klein waren, waren sie sehr beweglich. Die Windstille an diesem Tag machte die größeren schwedischen Schiffe schwerfällig. Die Manöver konnten nur sehr uneffektiv ausgeführt werden und so brachen die russischen Schiffe durch die schwedischen Linien. Apraxin schickte sofort 15 weitere Schiffe los und in der Nacht vom 26. zum 27. Juli konnte die ganze Flotte durchbrechen.
Die Schweden waren nun eingekreist. Ehrenskiöld stellte seine Schiffe zwischen zwei kleinen Inseln auf. In der Mitte lag sein Flaggschiff „Elefant“ mit der Breitseite den Russen gegenüber. Diese Situation ist auf dem Gemälde von Baquoi dargestellt. Den Angriff der Russen kommandierte Peter I. persönlich. Die Übermacht der Russen war gewaltig, denn die Schweden hatten ja nur elf Schiffe. Beim ersten Angriff kamen 35, beim zweiten 80 und beim dritten kamen sogar 95 Schiffe zum Einsatz. Die schwedischen Schiffe wurden geentert und Ehrenskiöld gefangen genommen. Der Sieg war perfekt.
Obwohl es nur ein Sieg über eine kleinere schwedische Einheit war, hatte er überragende Bedeutung. Oft wird diese Schlacht mit der von Poltawa verglichen, denn sie leitete die Wende im Kriegsverlauf ein. Die neue russische Flotte hatte die Flotte der alten Seemacht Schweden besiegt. Jetzt lag die Initiative bei den Russen, die von nun an östlich der Ålandinseln operieren konnten. Bereits im August 1714 wurden die Ålandinseln eingenommen. Schweden konnte Finnland nur noch bis 1721 behaupten. Der Frieden von Nystad beendete endgültig den Krieg. Schweden musste seine Führungsrolle in Nordeuropa abtreten und Russland hatte sich zur Großmacht entwickelt. Bis heute trägt in Anerkennung dieser Bedeutung stets ein russisches Schiff den Namen „Gangut“.
Dietrich Ecklebe