„Brutstätte der Niedertracht“
Die ukrainische Post gibt heute eine Marke zu Ehren eines ihrer großen Volkshelden heraus. Der vor 200 Jahren geborene Taras Schewtschenko ist zur wichtigen Figur in der gegenwärtigen Ukraine geworden. Als Sohn eines Leibeigenen im Dorf Morynzi geboren, lag es in seiner Natur, für Gerechtigkeit und Freiheit zu kämpfen. Kein Wunder also, dass sich die Aufständischen in der heutigen Ukraine mit dem Dichter identifizieren. Das Lied „Meine Lieder, meine Träume“, basierend auf einem Gedicht Schewtschenkos, klingt in den Ohren und Herzen derer, die sich eine von Russland gelöste, eigenständige Ukraine wünschen. Schewtschenko selbst, als Sklave im russischen Reich aufgewachsen, bezeichnete das Zarentum als „Brutstätte der Niedertracht“.
Da der russische Zar erst Ende des 18. Jahrhunderts die Leibeigenschaft einführte, waren die nahen Vorfahren Schewtschenkos noch freie Menschen. Dies war ein entscheidender Vorteil, da seine Familie noch des Lesens und Schreibens mächtig war und den Jungen in Religion, Kultur und Literatur unterrichten konnte. Neben seiner Zwangsarbeit als Hirtenjunge konnte der junge Schewtschenko so die Schule besuchen und die Werke bedeutender ukrainischer Gelehrter lesen. Neben seiner Leidenschaft für Literatur zeigte sich der Junge begeistert auf dem Gebiet der Malerei. Sein Gutsherr gestattete ihm sogar, bei einem Petersburger Maler in die Lehre zu gehen. Das Leben in Petersburg öffnete ihm ganz neue Türen. Er erlangte eine umfassende Bildung und unternahm erste dichterische Versuche. Er fand schnell Anerkennung bei Freunden und Gleichgesinnten in literarischen Kreisen. Trotz der glücklichen Fügungen seines Schicksals quälte Schewtschenko stets die Gewissheit, kein freier Mann zu sein. Seine Sorgen, als Sklave leben zu müssen, spiegeln sich in zahlreichen Gedichten dieser Zeit nieder. Doch im Alter von 24 Jahren gelang ihm mit der Unterstützung von Freunden der Freikauf aus der Leibeigenschaft. Daraufhin begann er an der Akademie der Künste zu studieren. Als Maler hinterlässt Schewtschenko ein umfangreiches Werk, das sowohl Grafiken, Aquarelle, Radierungen als auch Drucke umfasst.
Vier Jahre nach der Aufnahme seines Studiums begann Schewtschenko sich mehr auf die Literatur zu konzentrieren. Obwohl die erste Ausgabe des Kobsar, seines ersten Gedichtbandes, stark zensiert wurde, drang seine protestierende Stimme, die sich gegen die Ungerechtigkeit im Zarenreich und die Leibeigenschaft aussprach, zum Leser durch. Damals wie heute spricht Schewtschenko den Unterdrückten aus der Seele, während er den Herrschenden Angst bereitet.
Damals steuerte man dem Unruhestifter mit eigens für ihn erdachten Strafmaßnahmen entgegen. Man zog ihn in die Armee ein und schickte ihn in die entferntesten Gegenden. Hier lag noch nicht der spezielle Kern der Bestrafung. Da man wusste, wie man den Künstler am schwersten treffen konnte, untersagte man ihm das Malen und Schreiben.
Zweihundert Jahre später kann man Schewtschenko nicht mehr persönlich bestrafen, aber man kann seine Schiften verbieten. So begann nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2010, die Janukowitsch für sich entscheiden konnte, eine erneute Zensur seiner Werke. Besonders deutlich zeigte sich die Angst der Regierung vor dem Vermächtnis Schewtschenkos zum 199. Geburtstag des Dichters in seinem Heimatort. Verse des Poeten durften nicht laut rezitiert werden. Dem Dorfchor untersagte man das Singen, sogar die Kinder erhielten das Verbot, Gedichte aufzusagen. Da zeigt sich einmal wieder, was für eine Macht doch eigentlich hinter Worten steckt…
Die ukrainische Post erinnert mit einer heute ausgegebenen Briefmarkenausgabe an den Maler Schewtschenko. Vier verschiedene Motive zieren die Marken. „Die Geschenke von Chyhyryn von 1649“ aus dem Jahr 1844 und das 15 Jahre später entstandene Porträt von Kochubei sind jeweils im 11er-Kleinbogen zu haben. Zwei weitere Marken, unter anderem mit einem Porträt des Malers versehen, zieren die beiden Blocks der Ausgabe.