Die humane Fratze des Krieges – Die erste Genfer Konvention
Österreich war alles andere als angetan, dass das Königreich Sardinien die italienischen Freiheitskämpfer in den damaligen österreichischen Provinzen Lombardei und Venetien unterstützte. So kam es zum Sardinischen Krieg, bei dem auch Napoleon III. als Verbündeter von Sardinien mitmischte. Österreich unterlag am 24. Juni 1859 bei der Schlacht von Solferino, ein kleiner Ort in der Lombardei, und mit dieser Niederlage war der Weg für die Einigung Italiens geebnet.
Zu jener Zeit war auch ein Geschäftsmann aus Genf in dem italienischen Ort zugegen, der Zeuge der erschreckenden Zustände unter den Verwundeten nach dieser Schlacht wurde. Die Eindrücke war so nachhaltig, dass unser Geschäftsreisender darüber ein Buch mit dem Titel „ Erinnerungen an Solferino“ schrieb. 1862 veröffentlichte Henry Dunant, so sein Name, das Buch auf eigene Kosten. Neben der Schilderung seiner Erlebnisse enthielt das Buch auch Vorschläge zur Gründung von freiwilligen Hilfsgesellschaften sowie zum Schutz und zur Versorgung von Verwundeten und Kranken im Krieg. Angetrieben von seinen Ideen gründete er daraufhin im Februar 1863 des Internationale Komitee der Hilfsgesellschaften für die Verwundetenpflege, das seit 1876 den Namen Internationales Komitee vom Roten Kreuz trägt. Doch damit nicht genug.
Ebenfalls auf die Ideen des von der Grausamkeit des Krieges erschütterten Henry Dunant geht die Erste Genfer Konvention zurück. Am 22. August 1864 wurde diese auf einer internationalen diplomatischen Konferenz in Genf von zunächst 12 Staaten unterzeichnet: Baden, Belgien, Dänemark, Frankreich, Hessen, Italien, die Niederlande, Portugal, Preußen, die Schweiz, Spanien und Württemberg. Obwohl auch an der Konferenz anwesend, unterzeichneten die U.S.A, Russland und das Vereinigte Königreich zunächst nicht.
Innerhalb kürzester Zeit folgten allerdings viele andere Staaten, die sich zu dem Schriftwerk bekannten und ihrer Unterschrift auch die Ratifizierung folgen ließen. Insgesamt wurde jenes erste Dokument von 57 Staaten unterzeichnet, davon 36 innerhalb der ersten 25 Jahre bis 1889.
Die Genfer Konvention regelt den Krieg, wenn man so will. Doch warum sich die Konvention so rasch ausbreitete und warum so viele Staaten diese unterzeichneten, bleibt rätselhaft. So wird angenommen, die politischen und militärischen Eliten sahen eine Zunahme von kriegerischen Auseinandersetzungen für die Zukunft als unvermeidbar. Das Recht auf Krieg, „ius ad bellum“, war ein allgemein akzeptiertes legitimes Mittel zur Lösung von zwischenstaatlichen Konflikten. Vielleicht wollte man mit den humanitären Ideen eines Henry Dunant und der daraus entstandenen ersten Genfer Konvention die eigene Kriegslust mit einem humaneren Gewand verkleiden und somit den wahrscheinlich bald folgenden nächsten Krieg weniger grausam erscheinen lassen.
Die Unterzeichnung dieser ersten Genfer Konvention war Grundstein für das internationale Völkerrecht, und es folgten zahlreichen Erweiterungen der Konvention. So gut der Gedanke gemeint ist, die Umsetzung der Regulierungen für den Ernstfall scheint nicht immer bei den handelnden Akteuren durchgedrungen zu sein. Es gibt schlicht keinen militärischen Konflikt seither, der keine eklatanten Verletzungen der Genfer Konvention mit sich bringt, sei es durch Hinrichtungen der Zivilbevölkerung, Folter von Gefangenen oder gar Völkermord. Der hässlichen Fratze des Krieges ein humaneres Gesicht geben zu wollen ist wohl ein vergebliches, wenn nicht sogar ein lächerliches Unterfangen. Nicht umsonst gibt es wohl das bekannte Sprichwort: „In der Liebe und im Krieg ist alles erlaubt…“ Besser man lässt ihn einfach sein, den Krieg. Dann klappt es auch mit dem Humanismus.