Absolute Unterordnung – Der Mensch als Werkzeug des Krieges

Absolute Unterordnung – Der Mensch als Werkzeug des Krieges

Als nach der Ermordung des österreichischen Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand in Sarajevo am 28. Juni 1914 die europäischen Mächte konzertant mit den Säbeln rasselten, machte sich in den Köpfen zahlreicher Entscheider die Versuchung breit. Man begann abzuwägen, welche Chancen die angespannte Situation bereit hielt. Man gab sich der Illusion hin, es gäbe etwas zu gewinnen. Die österreichische Doppelmonarchie sah die Gelegenheit, den südwärts gelegenen Unruheherd Serbien auf dem Balkan ein für alle Mal auszulöschen. Russland hatte sich dem Dreikaiserbündnis der napoleonischen Ära längst entzogen und stand nach der als Niederlage empfundenen Balkanlösung des Berliner Kongresses im Sommer 1878 in grimmiger Opposition zum Habsburger Kaiserreich. Nach wie vor hoffte der Zar, über einen russisch beherrschten Balkan Zugang zum Mittelmeer zu gewinnen. Russlands Verbündeten Frankreich schmerzten noch die seelischen Wunden, die es mit der Niederlage gegen Deutschland 1871 erlitten hatte. England hatte prinzipiell überhaupt kein Interesse an einem Krieg, doch befand es sich durch das Flottenwettrüsten mit dem Deutschen Reich in einer angespannten Lage, galt es doch, die unbedingte Seeherrschaft aufrecht zu halten. Global stand Großbritannien tatsächlich eher mit dem russischen Expansionismus in Asien im Konflikt. Was aber war mit Deutschland?

Führungsversagen

Das Deutsche Reich befand sich in einer mehr oder weniger absurden Situation. Es hatte realistisch betrachtet rein gar nichts zu gewinnen, jedoch alles zu verlieren. Doch gerade diese Angst war in den Vorkriegsjahren zu der Paranoia einer Umzingelung angewachsen. Letzterer wollte man im Zweifelsfall mit Waffengewalt zu begegnen in der Lage sein. Die Aufrüstung hatte gewaltige Ausmaße angenommen. Deutschland war 1914 das unangefochtene Machtzentrum Mitteleuropas. Wirtschaftlich lebte das Reich in Goldenen Zeiten, die industrielle Entwicklung hatte sich längst angeschickt, das Mutterland der modernen Produktionsformen, Großbritannien, abzuhängen. Der Staat hatte einen beispiellosen Organisationsgrad erreicht. Doch gleichzeitig verzweifelte er an sich selbst. Von komplexen gesellschaftlichen Veränderungen betroffen, versagten die Methoden der Vergangenheit. Innenpolitisch standen die parlamentarischen Kräfte des Reichstages und die Reichsleitung des Kaisers in Konkurrenz, während gleichzeitig die Industrialisierung vollkommen neue Konfliktherde entfacht hatte. Aber der Arbeiterbewegung und den Industriestreiks war nicht wie einst den schlesischen Webern beizukommen. Die verachtete und gefürchtete Sozialdemokratie besaß parlamentarische Teilhabe und wurde 1912 gar stärkste Fraktion im Reichstag. Aber auch Interessenverbände von Industrie und Landadel verfolgten eigennützige Ziele, oft in erbittertem Gegensatz. Am Vorabend des Ersten Weltkriegs zeichnete sich eine drohende innenpolitische Handlungsunfähigkeit des Landes ab. Diese Faktoren hätten unter einer klugen, weitsichtigen Führung vielleicht in einem Kompromiss im Sinne des Gemeinwohls vereint werden können. Allein, die Reichsleitung wirkte in tiefem Gegensatz zur politischen Vernunft. Mit der Person Kaiser Wilhelms II. stand ein äußerst schwieriger Charakter an der Spitze des Deutschen Reiches. Er verband eine ins Irrationale reichende patriotische Geltungssucht mit einzigartigem diplomatischem Ungeschick, welches zahlreiche mühsam errungene Früchte der deutschen Außenpolitik mit einem einzigen Wort zunichte zu machen vermochte. Der überzogene Pathos und das dramatische Unvermögen, komplexe Situationen korrekt einzuschätzen, machten den deutschen Kaiser auch international zu einem mit Skepsis betrachteten Partner …

Den kompletten Artikel von Jan Sperhake lesen Sie in der DBZ 16 /2014, die Sie aktuell im Bahnhofsbuchhandel bekommen. Haben Sie schon einmal über ein Abonnement nachgedacht?

Titelabbildung: Postkarte mit Orginalfoto der kriegsbereiten Jugend aus Hamburg vom 11. August 1914.


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Authored by: Jan Sperhake

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