Schön und begabt zugleich
Lilli Palmer wurde vor genau 100 Jahren, am 24. Mai 1914, in Posen im damaligen Preußen als Tochter von Alfred Peiser und Rose Lissmann geboren. Nachdem der Vater als Assistenzarzt bei Dr. Wilhelm Conrad Röntgen in Würzburg tätig gewesen war, erhielt er eine Anstellung als Chefarzt im jüdischen Krankenhaus in der deutschen Hauptstadt, weshalb die Familie nach Berlin zog, als Lilli vier Jahre alt war. Die Mutter gab nach der Verlobung ihren Beruf als Theaterschauspielerin auf. Die ältere ihrer beiden Schwestern schlug wie Lilli eine Laufbahn als Schauspielerin ein.
In jungen Jahren zeigte sich Lilli eher sportlich als elegant. In der Rangliste des Deutschen Tischtennis-Bundes stand sie an Platz neun, nachdem sie 1930 gegen die spätere Weltmeisterin Mária Mednyánszky im Einzel verlor. Doch langsam machte sich in der Jugend dann auch der Wunsch bemerkbar, als Schauspielerin groß rauszukommen. Nach der Schule nahm sie bei Ilka Grüning und Lucie Höflich Schauspielunterricht. Lilli gelang es, sowohl das Gymnasium als auch die Schauspielschule mit Erfolg abzuschließen. Am Rose-Theater erhielt sie erste Möglichkeiten, ihr schauspielerisches Können einem Publikum zu zeigen. Alfred Peiser zeigte sich nicht sehr begeistert von der Leidenschaft seiner Tochter. Er hatte andere Pläne, schlug Lilli vor, in seine Fußstapfen zu treten und Chirurgin zu werden.
1932 begann Lilli am Hessischen Landestheater Darmstadt zu arbeiten. Da sie nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten als Jüdin nicht mehr in Deutschland auftreten konnte, übersiedelte sie ein Jahr später in die französische Hauptstadt. Unter dem Künstlernamen „Les Sœurs Viennoises“ trat sie mit ihrer älteren Schwester in verschiedenen Nachtlokalen in Paris auf.
Bereits ein Jahr später verließ sie Frankreich und zog nach Großbritannien, wo sie in London in dem Film „Crime Unlimited“ die weibliche Hauptrolle übernahm und damit ihren ersten Vertrag mit einer englischen Produktionsfirma unterschrieb.
Im privaten Bereich konnte sich Lilli zunächst über ihr Familienglück freuen. Ein Jahr, nachdem sie mit dem britischen Theaterschauspieler und Filmstar Rex Harrison vor den Traualtar getreten war, erblickte 1944 ihr Sohn Rex Carey Alfred Harrison, heutiger Dozent an der Brooklyn University, das Licht der Welt. Über die Ehe sagte Lilli: „Für eine gute Ehe gibt es einen sehr einfachen Maßstab: Man ist dann glücklich verheiratet, wenn man lieber heimkommt als fortfährt“.
Die Familie emigrierte in die USA, wo Lilli einen Hollywood-Vertrag erhalten hatte. Sie arbeitete unter anderem mit Gary Cooper in dem Streifen „Im Geheimdienst“ und mit John Garfield in dem Film „Jagd nach Millionen“. Lilli war damit zum Star in Hollywood geworden. Sie selbst meinte zum Thema Prominenz: „Prominenter = Ein Mensch, der wie ein Wilder arbeitet, um bekannt zu werden, und dann mit einer dunklen Brille herumläuft, um nicht erkannt zu werden.“
Die Schauspielkarrieren des Ehepaares Palmer/Harrison endeten zunächst, als der Skandal um eine Affäre zwischen Lillis Ehemann und der Schauspielerin Carole Landis, die Selbstmord beging, durch die Medien ging. Jedoch konnten sich beide wenig später wieder am Broadway etablieren. 1956 kam es zur Scheidung des Schauspielerpaares. Lilli ging am 21. September 1957 eine zweite Ehe mit dem argentinischen Schriftsteller und Schauspieler Carlos Thompson ein.
Mitte der 50er-Jahre kehrte Lilli Palmer in ihr Heimatland zurück und eroberte das deutsche Nachkriegskino. Zu ihren Kollegen zählten unter anderem Curd Jürgens und Romy Schneider. Auch über die Grenzen Deutschlands und Europas hinaus konnte Lilli Erfolge feiern. Sie arbeitete mit Hollywoodgrößen wie Clark Gable, James Mason, Jean Gabin und Charles Boyer zusammen. In Deutschland übernahm sie in den 70er-Jahren auch größere und kleinere Rollen in verschiedenen Fernsehproduktionen. Zahlreiche Auszeichnungen zeugen von ihrem großen schauspielerischen Talent. In den 50er-Jahren erhielt sie zwei Mal das Filmband in Silber als beste Darstellerin in „Das Himmelbett“ und „Teufel in Seide“. 1960 folgte eine Golden Globe-Nominierung für ihre Rolle in dem Musical „But not for me“. Im gleichen Jahr wurde ihr die größte Ehre zu Teil, die ein Schauspieler in Hollywood überhaupt erlangen kann ? Ein Stern mit ihrem Namen auf dem berühmten Walk of Fame. Auf dem Festival Internacional de Cine de Donostia-San Sebastián 1965 überreichte man ihr eine Auszeichnung für ihre Leistungen als Darstellerin im Film „Geheimaktion Crossbow“. Für ihre Arbeit im deutschen Fernsehen wurde sie 1974 mit der Goldenen Kamera und dem Großen Verdienstkreuz des Verdienstordens der BRD ausgezeichnet. Vier Jahre später erhielt sie ein Filmband in Gold für ihr langjähriges Wirken im deutschen Fernsehen.
1974 startete Lilli auch als Schriftstellerin durch. Es erschienen ihre Memoiren „Dicke Lilli ? gutes Kind“, die international in die Bestseller-Listen kamen. 1979 erweiterte sie ihre Lebensgeschichte mit dem Buch „Der rote Rabe“, in dem die Dreiecksbeziehung zwischen ihr, ihrem Lebensgefährten und ihrer Freundin beschrieb. In den 80er-Jahren erschienen darüber hinaus vier weitere Werke.
Am 27. Januar 1986 verstarb die Schauspielerin, über die der Regisseur Orson Welles einst sagte „Es ist geradezu unfair, dass jemand, der so schön ist, auch noch so begabt ist“, im Alter von 71 Jahren in Los Angeles. Auch nach ihrem Tod wird der großen Schauspielerin gedacht. Seit 1988 werden junge Nachwuchstalente im Rahmen der Preisverleihung der Goldenen Kamera mit der Lilli-Palmer-Gedächtniskamera ausgezeichnet.
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