Krimkrieg: Die Vorboten der Katastrophe
âUSA verhĂ€ngt Sanktionen gegen Russlandâ, âMoskau reagiert auf EinschrĂ€nkungen mit Einreiseverboten gegen die Vereinigten Staatenâ, âNoch in dieser Woche soll das Verfahren zur Eingliederung der Krim in die Russische Föderation abgeschlossen werdenâ, âNiemals wird die Ukraine den Kampf um die Befreiung der Krim aufgebenâ. TĂ€glich verfolgt die ganze Welt beunruhigende Nachrichten zur gegenwĂ€rtigen Krise auf der Krim. In der Mitte des 19. Jahrhunderts spitzten sich die Spannungen zwischen Russland und anderen GroĂmĂ€chten auf der Halbinsel im Schwarzen Meer schon einmal zu. Im Krimkrieg gipfelte von 1853 â 1856 die Auseinandersetzung zwischen Russland und dem Osmanischen Reich, in die vor genau 160 Jahren, am 27. MĂ€rz 1854, auch Frankreich und England eingriffen.
Zum Ausbruch des Krieges fĂŒhrte eine lange Kette von Ereignissen. Die osmanische Regierung hatte 1852 unter dem Druck Frankreichs der römisch-katholischen Kirche Vorrechte in bestimmten christlichen StĂ€tten Israels eingerĂ€umt. Die russische Regierung fĂŒhlte sich hintergangen, da sie darin eine Verletzung der Rechte sah, die zuvor orthodoxe Klöster innehatten. Im MĂ€rz 1853 wurde ein russischer FĂŒrst nach Konstantinopel entsandt, um dem russischen Protest Nachdruck zu verleihen. Sein Anliegen bestand jedoch nicht nur darin, die Angelegenheit um die HeiligtĂŒmer klĂ€ren zu wollen, er verlangte alle AnhĂ€nger des griechisch-orthodoxen Glaubens im Osmanischen Reich zu schĂŒtzen. In Konstantinopel wurde diese Forderung als ein Einmischen in innere Angelegenheit aufgefasst und strikt abgelehnt.
Nun betrachteten auch Frankreich und England die Lage immer kritischer. Nachdem Russland eine solche Forderung gestellt und im Juni auch noch in die DonaufĂŒrstentĂŒmer einmarschiert war, beschlossen sie im November, als Russland die osmanische Flotte in Sinope zerstört hatte, endgĂŒltig in den Krieg einzutreten. Am 27. MĂ€rz des Folgejahres erklĂ€rten sie dem Zaren den Krieg. Doch welche Faktoren veranlassten die beiden westeuropĂ€ischen MĂ€chte in dem Krieg zwischen Russland und dem Osmanischen Reich zu intervenieren?
Die beiden GroĂmĂ€chte betrachteten eine Ausweitung der russischen Macht auf das Gebiet des Osmanischen Reiches als Ă€uĂerst kritisch. Der Einfluss Russlands wĂŒrde sich stark ausweiten, auch auf afrikanische Territorien. Da Frankreich nach der Ăgyptischen Expedition Ende des 18. Jahrhunderts weitere koloniale Interessen in Afrika verfolgte, missfiel dem GroĂreich die Einmischung Russlands.
England sah vor allem seine wirtschaftlichen Interessen bedroht. Ein schwaches, aber funktionierendes Osmanisches Reich garantierte dem britischen Empire einen sicheren Zugang nach Asien. England verfolgte im 19. Jahrhundert auf wirtschaftlicher Ebene vor allem eine StĂ€rkung und Ausdehnung Indiens, der wichtigsten Kolonie. In Zentralasien war durch eine SchwĂ€chung des Osmanischen, des Persischen sowie des Chinesischen Reiches ein Machtvakuum entstanden, das sowohl Russland als auch GroĂbritannien auszufĂŒllen gedachten.
Im Russisch-Persischen sowie Russisch-TĂŒrkischen Krieg in den Zwanzigerjahren des 19. Jahrhunderts stĂ€rkte der russische Zar seine Position im asiatischen Raum. Russland erlangte Gebiete auf dem Kaukasus, das Donaudelta sowie einen GroĂteil der OstkĂŒste des Schwarzen Meeres. Das britische Reich stand im âGreat Gameâ ? unter diesem Begriff ging die anglo-russische Auseinandersetzung in die Geschichte ein ? unter Zugzwang. Durch eine Expansion im afghanischen Raum wollte England eine Vormachtstellung Russlands in Asien verhindern. Russland verfolgte das Ziel, zum Indischen Ozean vorzudringen und dort einen Hafen zu errichten. GroĂbritannien wollte diesem Vorhaben Einhalt gebieten, indem Afghanistan erobert und an British-Indien angegliedert werden sollte.
Im Ersten Anglo-afghanischen Krieg, die erste von drei militĂ€rischen Unternehmungen GroĂbritanniens, mussten die britischen und indischen Soldaten jedoch schlussendlich eine Niederlage einstecken. Auch in den zwei folgenden Anglo-afghanischen Kriegen, die nach dem Krimkrieg ausgetragen wurden, konnte das Empire keinen Sieg davontragen. Gemeinsam mit dem Osmanischen Reich und Frankreich verfolgte GroĂbritannien nach der Niederlage in Afghanistan das Ziel, dem Zaren auf dem Balkan Einhalt zu gebieten. Als Russland Teile des Balkans besetzte, sahen sich GroĂbritannien und Frankreich gezwungen, durch eine Entsendung von Truppen auf die Krim in den Krieg zwischen Russland und dem Osmanischen Reich einzugreifen, um eine russische Vorherrschaft im Nahen Osten und im Mittelmeerraum zu verhindern. Mehr ĂŒber die Ursachen und den Verlauf des Krimkrieges können Sie in der DBZ 8/2014 nachlesen.