Symptomatischer Konflikt zwischen Wissenschaft und Religion
Beim Übergang vom geozentrischen ptolemäischen zum heliozentrischen kopernikanischen Weltbild spielte Galileo Galilei eine maßgebliche Rolle. Infolge eigener astronomischer Studien vertrat der am 15. Februar 1564 in Pisa geborene Professor für Mathematik die nicht lange lange zuvor von Nikolaus Kopernikus formulierte Ansicht, dass die Erde nicht der ruhende Mittelpunkt des Universums sei, um den sich die anderen sichtbaren Planten drehten. Vielmehr stelle die Sonne das Zentrum des Planetensystems dar, und die Erde selbst befinde sich in Bewegung. Galilei nahm diese Position im Besonderen gegenüber der katholischen Kirche ein, die das etablierte Modell des antiken Gelehrten Claudius Ptolemäus eher in Einklang mit biblischen Inhalten sah und Galileis öffentliche Verbreitung der kopernikanischen Vorstellungen im Verlauf eines inquisitorischen Prozesses schließlich unterband.
Schon bevor er sich zu Beginn des zweiten Jahrzehntes des 17. Jahrhunderts besonders auf die Astronomie konzentrierte, hatte Galilei im Bereich der Physik innovative Experimente zu Fall, Bewegung und Beschleunigung durchgeführt. Und noch nach seiner kirchlichen Verurteilung im letzten Jahrzehnt seines 78 Jahre langen Lebens beschäftigte er sich als Physiker mit der Kinematik. Das in neuartigem Maß vergrößernde Fernrohr, mit dem er seine bahnbrechenden Himmelsbeobachtungen durchführte, hatte Galilei eigens nach dem Vorbild Hans Lipperheys, eines in Holland tätigen Teleskop-Pioniers, angefertigt. Seit 1592 war er an der Universität von Padua als Mathematiker beschäftigt gewesen, als er, nachdem er 1610 in „Sidereus nuncius“ („Der Sternenbote“) begonnen hatte, über die unebene Mondoberfläche, die großen Jupitermonde, die sogenannten „Sonnenflecken“, die mondähnlichen Venusphasen und die einzelnen Sterne der Milchstraße zu berichten, an den toskanischen Hof von Cosimo II. dé Medici ging. Dieser war seit längerem ein Unterstützer der wissenschaftlichen Arbeit Galileis, der wiederum die neu entdeckten Jupitermonde nach dem ihm zugeneigten Fürsten benannte.
Knapp 20 Jahre lang befand sich der längst über Italien hinaus bekannte Galilei im Zuge mehrerer Veröffentlichungen und in Briefen getätigter Äußerungen in einer Auseinandersetzung mit höchsten Kirchenvertretern über die Vorzüge des kopernikanischen Weltbildes, die er durch seine teleskopischen Befunde bestätigt sah. Auch andere Wissenschaftler befassten sich mit dem Thema und den Ergebnissen Galileis, nicht zuletzt der sternenforschende Mathematiker Johannes Kepler. Nach 1616 galt im Wesentlichen die Verfügung Roms, dass das kopernikanische Modell höchstens als Hypothese dargestellt werden dürfe, und dies trugen sowohl der Kardinal Robert Bellarmin als auch in den 20er-Jahren Papst Urban VIII., der Galilei gegenüber durchaus wohlwollend eingestellt war, diesem auch wiederholt persönlich auf. 1633 wurde Galilei nichtsdestotrotz nach der Veröffentlichung des „Dialogo sopra i due massimi sistemi del mondo tolemaico e copernicano“ („Dialog über die zwei hauptsächlichen Weltsysteme, das Ptolemäische und das Kopernikanische“) vor dem römischen Kirchengericht zur Abkehr von seinem darin allzu offensichtlichen Votum für die kopernikanischen Vorstellungen gezwungen und zu einem für den Rest seines Lebens geltenden Hausarrest verurteilt.
Den „Fall Galilei“ hat man oft als symptomatischen Konflikt zwischen Wissenschaft und Religion und Galilei selbst als symbolische Figur für die freie Entwicklung von Wissen gegenüber autoritärer Orthodoxie und Dogmatik betrachtet. Gegen die dabei erhobene Kirchenkritik ist andererseits auch angeführt worden, dass Galilei selbst das wissenschaftliche Prinzip der Hypothese, auf das gerade die Kirche doch insistiert habe, beim heliozentrischen Weltbild nicht habe anwenden wollen. Spätestens seit dem 20. Jahrhundert beschreibt die katholische Kirche die Verurteilung des widerspenstigen Astronomen Galileo Galilei auf jeden Fall als Irrtum.