Glaube, Recht und Expansion
Eine große Menschenmenge findet sich vor 1200 Jahren in der Aachener Pfalzkirche zusammen. Die Franken betrauern den Tod ihres Kaisers. Am 28. Januar 814 fällt Karl der Große einer Krankheit, vermutlich einer Rippenfellentzündung, zum Opfer. Er hinterlässt seinen Nachfolgern ein Reich mit enormen Ausmaßen. Nach dem Tod seines Vaters Pippin des Jüngeren wird das fränkische Reich unter Karl und dessen Bruder Karlmann aufgeteilt. Die Beziehung zwischen den Brüdern gestaltet sich schwierig. Karl nähert sich den Langobarden an, die zu dieser Zeit Druck auf Rom ausüben. Der Bruder Karlmann unterstützt den Papst, weshalb sich Spannungen zwischen den Brüdern aufbauen. Der Tod des Bruders beendet 771 schließlich den Zwist. Als Alleinherrscher übernimmt Karl die Gebiete des Bruders. Dadurch erfolgt eine Annäherung an den Papst, der ihn dazu bewegt, gegen die Langobarden in den Krieg zu ziehen. Nach dem Sieg über den Stamm lässt er sich zum langobardischen König krönen.
Karl der Große legt sein Augenmerk jedoch nicht ausschließlich auf Expansion. Die Wahrung des Rechts hat für ihn einen großen Stellenwert. In Form sogenannter Kapitulare – eine fränkische Sitte, die Untertanen aufzufordern, das Recht einzuhalten –, ermahnt er das Volk, sich an gesetzliche Richtlinien zu halten. Karl wacht streng über die Einhaltung des Rechtes für und von jedermann. Er schickt Boten aus, die prüfen sollen, ob überall in seinem Reich wahres Recht gesprochen wird. In Karls Reich herrscht keine strenge Ordnung. Die Rechte der Grafen sind nicht klar strukturiert, weshalb Beschwerden seitens der Herrscher auftreten. Ebenso die Gerichte unterliegen keiner straffen Führung, was überrascht, hatte die Rechtsprechung bei Karl doch einen solch überaus hohen Stellenwert. Die besonderen Fälle behält der Herrscher sich selbst vor. Die Kläger müssen dazu oftmals an seinem Hof erscheinen, sodass er in der Lage ist, den Rechtsstreit selbst zu klären.
Neben der Einhaltung des Rechts sind die Untertanen verpflichtet, stets für das Reich in den Krieg zu ziehen. Dies stellt sich als schwere Bürde dar, da während der Herrschaft Karls in den Sommermonaten stets ein Feldzug, teilweise sogar zwei oder drei, im Gange sind. Die meisten kriegerischen Auseinandersetzungen ereignen sich mit den Sachsen. Die Ursachen der Kämpfe sind religiöser Natur. Karl will die Sachsen dazu bewegen, sich dem christlichen Glauben zu verschreiben. Ab dem Jahr 772 finden jährliche Kämpfe zwischen den Franken und den Sachsen statt. Nach sechsjähriger Auseinandersetzung beginnt Karl der Große auf radikale Weise durchzugreifen. Er lässt in Verden an der Aller 4500 sächsische Edle hängen und befiehlt, dass jeder Sachse, der sich von nun an dem christlichen Glauben verweigert, hingerichtet werden soll. Karl sieht sich in der Pflicht, das Christentum zu festigen und zu verbreiten.
Nachdem Karl das sächsische Gebiet unterworfen hatte, gelingt ihm dies auch mit dem Königreich Bayern. Zum Ausgang des achten Jahrhunderts erlangt Karl eine solch große Macht, dass man darüber nachsinnt, ihm den Kaisertitel zu verleihen. Im Jahre 800 krönt ihn Papst Leo III. schließlich zum Kaiser von Gottes Gnaden. Karls Reich erlangt Anfang des neunten Jahrhunderts die größte Entfaltung. Keinem Herrscher nach ihm gelingt es, über eine so hohe Anzahl von Stämmen und Ländern zu herrschen.
Die Frage ist, ob Karl am Ende seiner Herrschaft seine Ziele tatsächlich erreicht hatte oder ob er, wie viele Herrscher vor ihm, anstrebte, die Herrschaft über die gesamte ihm bekannte Welt zu übernehmen. Die Inschrift auf seinem Grabstein erklärt, dass er das Reich der Franken auf edle Weise erweitert habe. Historiker stellten fest, dass er neben seiner Expansionspolitik auch andere Ziele anstrebte. Ihm war neben der Erweiterung seines Herrschaftsgebietes sehr daran gelegen, seinen Untertanen Sicherheit zu bieten und sein Reich auszugestalten. Karl der Große war somit ein Herrscher, der sowohl außen- als auch innenpolitisch Engagement zeigte. Er expandierte nicht nur, er versuchte seinen Untertanen ebenso durch entsprechende Rechtsprechung Sicherheit zu bieten.