„Mein Rufzeichen ist RAEM“
Gehören zu Ihrem Weihnachtsprogramm auch Abenteuerfilme, wie etwa die Verfilmungen von Jack Londons Abenteuererzählungen am Yukon? Heute geht es vielleicht um einen der größten Abenteurer dieses Jahrhunderts. Es gibt Menschen, die mit ihrer Zeit besonders verbunden scheinen, die zu Ikonen einer ganzen Generation geworden sind. Hierzu gehört der Polarforscher und Funkpionier Ernst Krenkel. Er wurde am 24. Dezember 1903 im russischen Bialystok als Abkömmling einer deutschstämmigen Familie geboren. Sein Vater unterrichtete Deutsch und Latein an einer russischen Schule. Nach Abschluss des Gymnasiums begann der junge Ernst mit Aushilfsarbeiten in einer Elektronikwerkstatt. Eher zufällig nahm er an einem Abendkurs für Funker teil, der von der Sowjetgewerkschaft veranstaltet wurde. Grund für diese Aktivitäten war der Bedarf an Funkern für die Armee. Auch für zivile Zwecke sollte ein Kommunikationssystem aufgebaut werden, um Orte außerhalb der Ballungszentren mit Informationen versorgen zu können.
Als Polarforscher war er an verschiedenen Expeditionen zum Nordpol beteiligt, mit zum Teil dramatischem Ausgang. Der Dampfer „Tscheljuskin“ wurde ausgewählt, eine Expeditionsroute von Archangelsk nach Wladiwostok zu fahren. Für herkömmliche Handelsschiffe war diese Route durch Packeisaufkommen ungeeignet und die Tscheljuskin wurde ausgewählt, diese Strecke zu fahren. Vorbereitet wurde sie durch die Verstärkung mit Stahlplatten. Allerdings war dieses Schiff dennoch ungeeignet für diese Reise. Die Tscheljuskin geriet nach kurzer Zeit in Seenot und wurde schließlich von Packeis zermalmt.
Es gelang, die 104 Mann umfassende Besatzung des Schiffes auf eine Eisscholle zu evakuieren. Ernst Krenkel rettete das Funkgerät des Dampfers und konnte so Kontakt zum Festland halten und die Rettungsarbeiten koordinieren. Eine erste Auszeichnung, die er für seine Leistung bekam, war das Rufzeichen der Tscheljuskin – RAEM – dass er von nun an als sein persönliches Rufzeichen führen durfte. Diese Auszeichnung schien für ihn besonders wichtig gewesen sein, schließlich nannte er seine Autobiografie „Mein Rufzeichen ist RAEM“. Für seine Leistungen ist Ernst Krenkel später vielfältig ausgezeichnet worden. 1938 wurde er Doktor der Geografie. Eine weitere große Auszeichnung war der Orden „Held der Sowjetunion“.
Nicht weniger spektakulär war der Weltrekord für die längste Verbindung auf Kurzwelle. Als Funker einer Expeditionsstation auf der Insel Franz-Josef-Land konnte er mit seinem Kollegen „Howard Mason“, der an der Südpol Expedition auf dem „Ross-Schelfeis“ teilnahm, sprechen. Diese wichtige Verbindung wurde mit Sprechfunk abgewickelt, tatsächlich war Ernst Krenkel jedoch ein Mann der Morsetelegrafie. Das geheimnisvolle Piepsen von langen und kurzen Tönen hatte für ihn eine besondere Faszination. Seine heimische Funkanlage war bescheiden ausgestattet. Die Morsetaste war an den Schreibtisch angeschraubt und als Antenne diente lediglich ein Draht. Aber auch mit so einer eher bescheidenen Ausrüstung sind auf Kurzwelle durchaus beachtliche Entfernungen zu überbrücken.
Trotz aller Leistungen blieb Ernst Krenkel nicht vom stalinistischen Terror verschont. 1948 wurde er aus allen Funktionen entfernt und bekam Funkverbot. Durch die Vermittlung von Freunden gelang es ihm, die Leitung des Labors der „Automatischen Radiometeorologischen Station“ zu übernehmen. Von diesem Labor wird jedoch berichtet, es sei eher eine kleine Funkbude gewesen. Die Rehabilitation Krenkels wurde erst drei Jahre nach Stalins Tod und auch nur inoffiziell vorgenommen. Krenkel wurde zum Direktor des Institutes, an dem er arbeitete, ernannt. Hier blieb er bis zu seinem Tode im Jahr 1971.
Ernst Krenkel wurde auf dem Nowodewitschi-Friedhof in Moskau beigesetzt. Sein Grabmal wird von dem möglicherweise wichtigsten Zeichen seines Lebens geschmückt: RAEM. Die Amateurfunkgemeinde gedenkt zum 110. Geburtstag ebenfalls „ihrem“ Helden Ernst Krenkel. Wie auch schon zum 100. Geburtstag wird es eine Reihe von Funkaktivitäten geben, in denen Rufzeichen genutzt werden, die RAEM ähnlich sind, etwa R110RAEM. Aber auch die Polarforscher haben ihn nicht vergessen: Unter ukrainischer Flagge fährt bis heute das Forschungsschiff „Ernst Krenkel“.
Ich glaube der Verfasser hat sich etwas in der Zeit geirrt bei der Angabe „vielleicht um einen der größten Abenteurer dieses Jahrhunderts“.
Wo Sie es sagen, fällt es dann auch auf: Gemeint hat er wohl das doch schon etwas vergangene Jahrhundert…