„Die Wüste zum Blühen bringen“
Nach Erklärung der Unabhängigkeit Israels im Jahr 1948 wurde David Ben-Gurion dessen erster Premierminister. In den vorangegangen drei Jahrzehnten hatte Ben-Gurion mit seiner entschiedenen politischen Arbeit zur Bildung des neuen Staates beigetragen. Er starb vor 40 Jahren, am 1. Dezember 1973. Zur Welt kam der Sohn eines Rechtsanwaltes 1886 im polnischen Plo?sk, das zum Russischen Kaiserreich gehörte. Sein Geburtsname war David Grün. Und sowohl diesen als auch seinen Aufenthaltsort änderte er aus politischen Gründen: Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert entstehende zionistische und dabei gemäßigt sozialistische Ansichten bewegten den 20jährigen dazu, nach Palästina auszuwandern und sich dort – ab 1912 unter dem hebräischen Nachnamen Ben-Gurion – für ihre Umsetzung zu engagieren. Ben-Gurion selbst betrachtete dies weniger als Fluchtbewegung vor in Europa bestehenden antisemitischen Zuständen, denn als offensiven, zukunftsorientierten Einsatz für einen unabhängigen jüdischen Staat im „Heiligen Land“.
Palästina gehörte zum Osmanischen Reich. Ben-Gurion beteiligte sich dort an politischer Organisation und Ansiedelung jüdischer Bewohner und vor allem osteuropäischer Migranten. Letzteres – so das Konzept, dem Ben-Gurion anhing – sollte sich prinzipiell im Besonderen durch Erschließung von Land über landwirtschaftliche Arbeit vollziehen, sodass die trockene israelische „Wüste zum Blühen“ gebracht würde. 1915 musste er Palästina jedoch wegen seiner weitreichenden politischen Absichten verlassen. Drei Jahre verbrachte Ben-Gurion in den USA. Und in New York lernte er seine Ehefrau Paula Munweis kennen, mit der er drei Kinder hatte. Zusammen kehrten die beiden nach Palästina zurück: Ben-Gurion – mit strategischem Blick auf zukünftige Verhandlungen – unterstützte das Britische Königreich, welches zunehmend und ab 1922 gemäß eines vom Völkerbund bestätigten Mandats Kontrolle über die Region ausübte.
Nach dem Krieg und in den folgenden zwei Jahrzehnten war Ben-Gurion im Kontext maßgeblicher Organisationen, die sich gegenüber der britischen Kolonialherrschaft sowie arabisch-palästinensisch nationalstaatlichen Interessen für jüdische Bestrebungen einsetzten, in führenden Positionen aktiv. Dabei wurde er einer der einflussreichsten und prominentesten politischen Vertreter der jüdischen Bevölkerung in Palästina: 1919 gründete Ben-Gurion die einer jüdischen Arbeiterbewegung verpflichtete Partei „Achdut HaAvoda“. Diese war 1920 auch an der Formierung der paramilitärischen Organisation „Hagana“ beteiligt. Durch die „Achdut HaAvoda“ bildete sich im gleichen Jahr zudem die Gewerkschaft „Histadrut“, deren Vorsitz Ben-Gurion über ein Jahrzehnt lang inne hatte. 1930 tat sich die „Achdut HaAvoda“ mit der ebenfalls gemäßigt-linken Arbeiterpartei „Hapoel Hatzair“ zur „Mapai“, der „Partei der Arbeiter des Landes Israel“, zusammen. Mehr als 20 Jahre lang war Ben-Gurion Parteivorsitzender. An der Spitze der 1929 gebildeten „Jewish Agency“, dem wesentlichen Organ jüdischer Selbstverwaltung und -repräsentation unter britischem Mandat, stand er von 1935 bis 1948. Präsident der „Zionistischen Weltorganisation“ war er zeitweise ebenfalls.
Nach fortwährender Einwanderung jüdischer Menschen sowie in gewalttätigen Unruhen ausgetragenen Konflikten mit der arabisch-palästinensischen Bevölkerung verschlechterte sich mit Beginn des Zweiten Weltkrieges auch das Verhältnis zwischen auf jüdische Interessen pochender politischer Vertretung und britischer Mandatsmacht: Die anhaltend von Ben-Gurion geforderte – und illegal weiterhin auch durch sein Betreiben geförderte – Migration jüdischer Flüchtlinge wurde eingeschränkt. Gegen die britische Politik und Präsenz gab es sowohl von jüdischen als auch arabisch-palästinensischen Gruppen gewalttätigen Widerstand. Als der Krieg vorbei und die Katastrophe des Holocausts geschehen war, stimmten die Vereinten Nationen schließlich für die Bildung sowohl eines jüdischen als auch eines arabisch-palästinensischen Staates.
Es war Ben-Gurion, der die Unabhängigkeit Israels am 14. Mai 1948 verkündete. Schon unmittelbar nach Verabschiedung der UN-Resolution war es zu intensivierten lokalen Kämpfen gekommen. Nun begann wenige Stunden nach – von den arabischen Staaten nicht akzeptierter – Staatsgründung ein erster Krieg gegen ägyptische, jordanische, syrische, irakische und libanesische Truppen. Ben Gurions Amtszeit als erster israelischer Ministerpräsident dauerte bis 1954. Nach einem Jahr mit dem Ministerpräsidenten Moshe Sharett folgte seine zweite schon im November 1955. Und vorrangige Handlungsbereiche des zugleich auch lange als Verteidigungsminister agierenden Ben-Gurion waren tragischerweise sofort – und ein zweites Mal im Krieg von 1956 – Entwicklung, Stabilisierung und Einsatz einer israelischen Armee. David Ben-Gurion starb mit 87 Jahren in Tel Aviv. 1963 war er vom Ministerpräsidentenamt zurückgetreten. Bis drei Jahre vor seinem Tod allerdings war er als Mitglied der kleinen Partei „Rafi“ – die 1965 infolge eines innerparteilichen Konflikts aus der „Mapai“ hervorging – tätig gewesen. Im Gedenken der israelischen Bevölkerung nimmt Ben-Gurion als mit der Entwicklung eines jüdischen Nationalstaats maßgeblich verknüpfte Person bis heute eine besondere Stellung ein. Sein Grab befindet sich in „Sede Boker“, einem Kibbuz in der Negev-Wüste, der bis zu seinem Tod Ben-Gurions Wohnstätte war.