Die Mobilisierung des Unbewussten
Der Maler René Magritte gilt als einer der berühmtesten Vertreter surrealistischer Kunst. Er kam am 21. November 1898 im belgischen Lessines zur Welt. Anfang der 20er-Jahre verdiente Magritte Geld mit dekorativen und illustrativen Arbeiten, die für nicht-künstlerische Zwecke, z.B. in Werbeanzeigen, verwendet wurden. Schon bevor er mit 18 Jahren nach Brüssel gekommen war, um dort an der Kunsthochschule zu studieren, hatte er Georgette Berger kennengelernt. 1922 heirateten die beiden. Magrittes Kunst, zunächst impressionistisch und realistisch ausgerichtet, war zwischenzeitlich formalistischer, abstrakter, also kubistisch geworden. Bei einer Neuorientierung, die wieder weg von der Abstraktion führte, beeinflusste ihn ungefähr zu dieser Zeit auch ein Gemälde von Giorgio de Chirico.
Was man in De Chiricos „Lied der Liebe“ von 1914 erkennen konnte, war ein Kombinieren der Dinge, bei dem Übliches durcheinander gebracht wird. Und nebeneinander stehende Elemente, die in alltäglicher, gewöhnlicher Erwartung und Erfahrung nicht, vor allem aber in anderer Weise zueinander passen, ein Aufeinander-Treffen und dabei Irritieren und Erweitern von Wahrnehmung kennzeichneten bald auch die Bilder Magrittes. Als die zweite Hälfte des Jahrzehnts begann, wurde er dabei zu einer Schlüsselfigur surrealistischer Kunst in Belgien. Außer ihm gab es diesbezüglich z. B. noch den Schriftsteller und Fotografen Paul Nougé, den Magritte öfter bei der Titelsuche für seine Arbeiten heranzog, oder E. L. T. Mesens, der Magrittes Gemälde später als Kunsthändler und Museumsleiter nach Großbritannien brachte und damit zu seinem weiteren Erfolg beitrug. Der Galerist Paul-Gustave van Hecke stellte seine Werke in Brüssel aus, und dies verschaffte Magritte auch eine beständigere finanzielle Grundlage, um sich mehr auf die künstlerische Arbeit konzentrieren zu können.
In Frankreich, in Paris, gab es auch eine surrealistische Szene. Magritte zog kurz vor seinem dreißigsten Geburtstag dorthin und blieb drei Jahre. Nicht zuletzt arbeitete der Schriftsteller und Theoretiker des Surrealismus André Breton in der französischen Hauptstadt. Während man hier im Besonderen versuchte, herkömmliche Wirklichkeit durch Mobilisierung und Freilegung eines Unbewussten zu überwinden und dabei eine traumartige, symbolhafte künstlerische Sprache fand, erreichte Magrittes Malerei eine Befremdung des scheinbar Selbstverständlichen mit konkreteren, naturalistischeren Mitteln. Dabei machten seine Bilder, z.B. „La trahison des images“ („Der Verrat der Bilder“) von 1929, auch eine immer notwendige Unterscheidung von Objekten und deren Darstellung deutlich. Ziemlich deutlich sogar: In erwähntem Gemälde steht unter der Abbildung einer Pfeife „Dies ist keine Pfeife.“ Der Umstand, dass ihnen Ideen innewohnen, an denen sich der Rezipient stoßen kann, kommt in Magrittes Werken eindeutig zum Ausdruck.
Seine erste Einzelausstellung in Paris hatte er allerdings erst 1947. Die 30er-Jahre verbrachte Magritte wieder in Belgien, wo die von van Hecke betriebene Gallerie La Centaure geschlossen wurde und er zusammen mit seinem Bruder Paul eine Agentur eröffnete, die abermals auf künstlerische Produktion für Zwecke der Werbung ausgerichtet war. Magritte nahm an Gruppenausstellungen teil und unterhielt dabei Kontakte zu anderen Surrealisten. Nicht zuletzt stellte er in New York und in der London Gallery aus.
Während des Zweiten Weltkrieges nahm Magrittes Kunst eine von ihm selbst explizit – und mit ironischem Rekurs auf impressionistische Elemente – als Reaktion auf die katastrophale Gesamtsituation verstandene Wendung zur Thematisierung von Schönheit, Farbigkeit und Helligkeit.
Bevor René Magritte im Sommer 1967 an Bauchspeicheldrüsenkrebs starb, hatte nach dem Krieg nicht nur seine künstlerische Produktivität angehalten und – auch durch einen effektiven Kontakt nach Amerika über den New Yorker Galeristen Alexandre Iolas – seine Berühmtheit zugenommen. Es hatte sich auch ein Anschließen an wesentliche Aspekte seiner Arbeit in aktuellen und jüngeren künstlerischen Richtungen gezeigt, namentlich in der „Konzeptkunst“, die hinter Kunstwerken stehende Ideen und Gedanken betonte, und der dezidiert nicht-abstrakten, auf Alltägliches zurückgreifenden „Pop Art“.
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