Aluminiumflugzeuge und Weltrekorde
Andrei Nikolajewitsch Tupolew ist einer der Pioniere der modernen Luftfahrt, der durch viele außergewöhnliche Leistungen in die Technikgeschichte eingegangen ist. Weltweit werden noch heute Tupolev Flugzeuge verwandt. Er erreichte mit vielen seiner Konstruktionen Weltrekorde. Er wurde heute vor 125 Jahren geboren. Für dieses Ereignis gibt es allerdings zwei Daten: Das Geburtsdatum Tupolevs ist nach dem gregorianischen Kalender – der auch heute noch verwendet wird – der 10. November 1888. Nach der Zeitrechnung im damaligen Russland, dem julianischen Kalender, fällt sein Geburtstag auf den 29. Oktober. Tupolev wurde in seiner Kindheit zu Hause unterrichtet und besuchte später das Gymnasium. Schon in der Schulzeit interessierte er sich für Flugzeuge. Die ersten eigenen luftfahrttechnischen Pionierleistungen erbrachte er im Studium. Er begann mit Windkanalexperimenten – die hierfür notwendigen Windkanäle entwarf er vollkommen selbstständig. Aufgrund dieser Erfolge bekam er schon vor dem Diplom einen Posten als Laborleiter für aerodynamische Versuche.
Unterbrochen wurden die ersten Schritte dieser glänzenden Karriere durch eine politische Affäre: Er wurde beschuldigt, einer verbotenen Partei anzugehören und in sein Heimatdorf verbannt. Obwohl sich diese Vorwürfe nicht bestätigten, wurde ihm die Rückkehr nach Moskau und die Fortsetzung seiner Arbeit erst drei Jahre nach den Vorkommnissen im Jahr 1914 erlaubt. Tupolev schloss ein Studium schließlich vier Jahre später mit einer Diplomarbeit über Windkanalexperimente und ihre Anwendung bei der Konstruktion von Wasserflugzeugen ab.
Nach Abschluss des Studiums 1918 begann er als einer der ersten Ingenieure am neu gegründeten Zentralen Aerohydrodynamischen Institut zu arbeiten, gleichzeitig lehrte er an der Moskauer Technischen Universität – unterbrochen von Krankheit und einem längeren Sanatoriumsaufenthalt auf der Krim. Zwei Jahre später begann man mit konkreten Arbeiten an einem ersten Flugzeug, der Tupolev ANT-1. Die ersten Skizzen, auf die sich dieser Flugzeugbau bezog, fertigte er bereits 1911 an. Maßgeblich wurde die Tupolev ANT-4, ein 1925 entwickeltes Flugzeug, der weltweit erste zweimotorige, freitragende Ganzmetallbomber. Revolutionär war die Verwendung des neuen Konstruktionsmaterials Aluminium, dass schon beim ersten Entwurf zu 60 Prozent genutzt wurde. Die zweite Konstruktion, die Tupolev ANT-2, gilt als das erste Aluminiumflugzeug weltweit.
In den nächsten zehn Jahren reihten sich die Erfolge Tupolevs aneinander. Erfolgreiche Langstreckentests auf der Strecke Moskau-New York und eine erfolgreiche Landung einer seiner Maschinen am Nordpol waren wichtige Meilensteine der Fluggeschichte. In den 1930er Jahren folgten mehrere Konstruktionen von gigantischen Passagierflugzeugen, die weltweit für Aufsehen sorgten.
Als er sich aus der militärischen Forschung zurückziehen und sich verstärkt der zivilen Luftfahrt zuwenden wollte, fiel er in Stalins Ungnade: Ihm wurde unterstellt, Konstruktionspläne an die Franzosen und Deutschen weiter gegeben zu haben. Ebenfalls kursierten Gerüchte über Sabotage und Mitgliedschaft in einer faschistischen Partei. Es folgte eine Anklage wegen Hochverrats und einer Verurteilung zu einer langjährigen Haftstrafe. Im Gefängnis durfte er seine Arbeit für die militärische Luftfahrt fortführen. Seine Konstruktionen wurden aber nicht mehr mit dem Kürzel „ANT“ gekennzeichnet.
Nach dem Einmarsch der Wehrmacht in die Sowjetunion wurden alle Ingenieure aus der Haft entlassen, Stalin soll sich sogar bei Tupolev persönlich entschuldigt haben – eine Begebenheit, die sich von Stalin nicht ein zweites Mal berichten lässt. Vollständig rehabilitiert wurde er allerdings erst zwei Jahre nach Stalins Tod. Nach der Entlassung aus der Haft zog Tupolev in die sibirische Stadt Omsk, wo er ein weiteres Ingenieurbüro gründete. Zwei Jahre später ging er nach Moskau zurück, wo er seine Konstruktionsprojekte aus der Zeit vor dem Zerwürfnis mit Stalin weiterführte.
Im neu gegründeten Raumfahrtprogramm der UDSSR ab den 1950er Jahren spielte Tupolev wiederum eine Schlüsselrolle. Es bahnte sich langsam aber sicher ein Generationswechsel in der sowjetischen Luftfahrt an: Nach seinem Tod im Dezember 1972 übernahm sein Sohn Alexei Andrejewitsch Tupolew (1925 – 2001) den Posten des Chefkonstrukteurs. Auch er leistete Maßgebliches für die moderne Luftfahrt.