Der lächelnde Papst
Nur 33 Tage lang war Johannes Paul I. Papst, als er in der Nacht vom 28. auf den 29. September des Jahres 1978 starb. Es war das sogenannte „Dreipäpstejahr“: Paul VI. verschied Anfang August, im Oktober wurde Johannes Paul II. zum Nachfolger bestimmt. Johannes Paul I. erlag einem Herzinfarkt. Oder wurde er vielleicht doch vergiftet?
Der Norditaliener wurde am 17. Oktober 1912 in Forno di Canale geboren. In einfache, ärmliche Verhältnisse. Als Albino Luciani. „Papa Luciani“ wurde er später auch genannt. Und nach seinem Tod sprach man vom „Papst des Lächelns“. Denn durch sein fast immer gezeigtes solches wirkte er volksnah und herzlich. Luciani galt auch nicht als ambitionierter Aufsteiger, gab sich vielmehr zurückhaltend. Er war kein Politiker des Religiösen. Sein Wunsch war stets, Dorf-Priester und Seelsorger zu sein. Katholischer Priester wurde er 1935. Schon die Beförderungen zum Bischof und dann 1968 zum Patriarchen von Venedig waren gar nicht so sehr in seinem Sinn. Es war Pflichterfüllung. So wurde Luciani denn Kardinal, und das nahende päpstliche Amt – es erschien ihm sehr als Bürde. Auch kannte sich Luciani mit der vatikanischen Bürokratie nicht gut aus. Er sagte, er sei im Vergleich zu den beiden Vorgängern unvorbereitet. Angeblich wollte er es nicht werden.
Er wurde es. Am 26. August. Als erster Papst mit einem Doppelnamen legte sich der 65-jährige die Namen seiner Vorgänger, Johannes XXIII. und Paul VI., zu und ein paar andere Sachen ab. Zeichen des Status und der Macht nämlich: Er verzichtete auf die aufwendige Krönung, den majestätischen Plural und die päpstliche Sänfte. Wirklich zu zeigen, wie sein Kurs tatsächlich ausgesehen hätte, dafür blieb keine Zeit. Aber die Namensgebung allein und vielleicht auch seine bis dahin gezeigte Loyalität sprachen für ein grundsätzliches Anknüpfen an die Praxis der jüngeren Vergangenheit: Aufbruch im Sinn des Zweiten Vatikanischen Konzils einerseits und gleichzeitig Festhalten am Wesentlichen, zum Beispiel der katholischen Sexualmoral. Das Amt machte ihm dann wohl sofort zu schaffen. Gesundheitlich angeschlagen war er seit Jahren, jetzt waren die Tage mit noch mehr Terminen, Arbeit und Verantwortung gefüllt.
Er starb im Bett sitzend und lesend. Sie fanden ihn am Morgen. Er hatte den Kaffee nicht entgegen genommen, der auf ihn wartete, und so hatte man nachsehen müssen. Manche waren nicht überzeugt: Obwohl die Leichenbestatter doch zu einem späteren Zeitpunkt neigten, nannte man 23 Uhr als Todeszeit. Man sagte auch nicht, dass eine Frau, Schwester Vincenca, nicht der Privatsekretär, das tote Kirchenoberhaupt fand. Seine letzte Lektüre war nicht mehr auffindbar. Und es gab keine Autopsie.
Das, vor allem letzteres, sind die Punkte, auf die sich die Zweifel am natürlichen Tod Johannes Pauls I. beziehen. Eine Geheimloge habe es gegeben. Und der neue Papst, ob durch gezielte Recherche oder durch Zufall, sei ihren Mitgliedern auf die Schliche gekommen. Man vermutete, dass er führende Köpfe der „Vatikanbank“, die wie man schließlich unabhängig von Theorien zum Tod Johannes Paul I. ermittelte in Zusammenhang mit der Banco Ambrosiano und auch der Mafia für kriminelle und abträgliche Finanzgeschäfte verantwortlich waren, zur Rechenschaft habe ziehen wollen. Andere behaupteten auch, Johannes Paul I. habe schlicht kirchenpolitische Reformen geplant, die manchen zu weit gingen. Eine Autopsie, so die Verschwörungstheoretiker, habe es nicht gegeben, weil diese das tödliche Gift, das man ihm verabreicht habe, zu Tage gebracht hätte.
Vielleicht verzichtete man im Vatikan aber auch deswegen auf eine Autopsie, weil man nicht eingestehen wollte, einen gesundheitlich zu labilen Mann zum Papst gewählt zu haben.
Der bescheiden auftretende Johannes Paul I. hatte keine Gelegenheit, viel zu gestalten. Auf ihn folgte Kardinal Karol Wojtila. Der bot als Johannes Paul II. das Gegen-Extrem: Er blieb 26 Jahre lang Papst, reiste mehr als alle Vorgänger und nahm mehr Selig-, Heiligsprechungen und Kardinalskreierungen vor als je ein Papst zuvor.