Vom lateinischen Quadrat zum Sudoku

Zum 250. Geburtstag ehrte die DDR 1957 Leonhard Euler, MiNr. 575.

Zum 250. Geburtstag ehrte die DDR 1957 Leonhard Euler, MiNr. 575.

Über sein wichtigstes Fachgebiet hinaus bekannt wurde er mit der Lösung eines Problems, das sein Fachgebiet eigentlich gar nicht betraf. Der Bürgermeister von Danzig hatte gefragt, ob man bei einem Stadtrundgang in Königsberg jede der sieben den Alten und den Neuen Pregel kreuzenden Brücken exakt einmal queren könne, die von der Insel zu den umliegenden Stadtteilen führen. Heute zählt es zur Allgemeinbildung, dass dies unmöglich ist, da das Grundwissen zur Graphentheorie frühzeitig in der Schule unterrichtet wird. Doch musste erst einmal jemand die Graphentheorie schaffen. Sie löst das Königsberger Brückenproblem mathematisch, das streng genommen eher ein Problem der allgemeinen denn der mathematischen Logik ist.
Der dazugehörige Graph trägt inzwischen seinen Namen. Als eulerschen Graph definieren wir einen geschlossenen Streckenzug, der jeden Weg – mathematisch die Kante – einmal nimmt. An jedem Knoten muss die Zahl Kanten, die den Knoten mit anderen Knoten verbinden, gerade sein. Alles nur Theorie? Mitnichten, wie die Frage des Danziger Bürgermeisters eindrucksvoll unterstreicht.
Allgemein bekannt wurde eine Rätselform, die auf dem lateinischen Quadrat beruht. Sie geriet zwar für lange Zeit in Vergessenheit. 1979 aber veröffentlichte der Amerikaner Howard Garns eine Weiterentwicklung des Quadrates unter der Bezeichnung „Number Place“ in einer Rätselzeitung. Über Japan trat das Rätsel seinen Siegeszug um die Welt an, und der japanische Name wurde international zum Gattungsbegriff: Sudoku.
Leonhard Euler kam am 25. April 1707 in Basel als Sohn eines Pfarrers zur Welt. Das Elternhaus ermöglichte ihm neben der Gymnasialbildung Privatunterricht bei Johannes Burckhardt, einem Theologen mit Faible für die Mathematik. Bereits 1720 nahm Euler die Studien in Basel auf. Mit einem Vergleich der Philosophien Isaac Newtons und René Descartes‘ schloss er sie 1723 als Magister ab. Auf Wunsch seines Vaters schloss er ein Theologiestudium an, wechselte aber bald zur Mathematik und gewann 1726 in einem Wettbewerb der Französischen Akademie der Wissenschaften den zweiten Preis mit einer Studie zur optimalen Positionierung der Masten auf Segelschiffen.
1727 erhielt er den Ruf an die Universität Sankt Petersburg als Nachfolger Nikolaus II. Bernoullis. Dort arbeitete er mit dessen Bruder Daniel Bernoulli eng zusammen. Parallel entwickelte sich ein fruchtbarer Gedankenaustausch mit Christian Goldbach. Diesen konnte er fortsetzen, als ihn 1741 Friedrich der Große zum Direktor der mathematischen Klasse der Berliner Akademie der Wissenschaften ernannte. Russland verließ er wegen innenpolitischer Probleme. Die 25 Jahre währende Arbeit in Preußen endete mit einem handfesten Streit zwischen Euler und dem Alten Fritz. Euler kehrte nach St. Petersburg zurück, wo er am 18. September 1783 nach gregorianischem Kalender starb – nach julianischem Kalender am 7. September. Sein kompletter Nachlass liegt bis heute in Sankt Petersburg, einschließlich der Dokumente aus seiner Berliner Zeit.

Ein umfangreicher Satz erschien 1950 zum Gründungstag der Akademie der Wissenschaften. Der Wert zu 1 Pfennig porträtierte Leonhard Euler, MiNr. 261.

Ein umfangreicher Satz erschien 1950 zum Gründungstag der Akademie der Wissenschaften. Der Wert zu 1 Pfennig porträtierte Leonhard Euler, MiNr. 261.

Obwohl er schon früh mit dem Augenlicht zu kämpfen hatte und 1740 auf dem rechten Auge, 1771 dann vollständig erblindete, legte Leonhard Euler nicht weniger als 866 Publikationen vor, überwiegend zur Mathematik, aber auch zur Physik. Mehr als die Hälfte entstand während seiner zweiten Petersburger Zeit. Wie seinerzeit üblich, erschienen die wissenschaftlichen Schriften auf Latein. Doch erwarb sich Euler auch große Verdienste um die Allgemeinbildung, indem er seine „Briefe an eine Prinzessin in Deutschland“ veröffentlichte. Empfängerin der französischsprachigen Originale war eine Nichte Friedrichs II., Prinzessin Friederike Charlotte von Brandenburg-Schwedt, der Euler das Grundwissen in der Mathematik, Physik, Astronomie, Philosophie und Theologie vermittelte. Wie seine „Einleitung zur Rechen-Kunst zum Gebrauch des Gymnasii bey der Kaiserlichen Academie der Wissenschaften in St. Petersburg“ können sie noch heute im Schulunterricht und darüber hinaus eingesetzt werden – wie die Werke der damaligen Dichter und Denker in angepasster Orthografie und Grammatik, wohlgemerkt.
In die mathematische Symbolik führte Leonhard Euler wesentliche Teile ein, unter anderem das Zeichen für die Zahl Pi „?“, das Summenzeichen „?“ oder den allgemeinen Funktionsterm „f (x)“. Daneben engagierte er sich für die Arbeiten wichtiger Kollegen. Gegenüber den Mitgliedern der Berliner Akademie setzte er sich beispielsweise für Isaac Newtons Prinzip „Kraft gleich Masse mal Beschleunigung“ ein. Benjamin Robins‘ Buch zur Ballistik wurde in der von Euler vorgelegten deutschen Übersetzung zu einem Grundlagenwerk des Militärwesens und diente später, übersetzt ins Französische, schließlich als eines der Lehrbücher Napoléon Bonapartes. Bis heute folgen indessen vor allem Mathematiker Pierre Simons Laplaces Aufforderung: „Lest Euler, lest Euler, er ist unser aller Meister.“


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Authored by: Torsten Berndt

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