Von der Arbeit „ausgesperrt“
Am 26. August 1913 legten Fahrer und Schaffner der „Dublin United Tramway Company (DUTC)“ ihre Arbeit nieder. In den nächsten sechs Monaten sollte Dublin Schauplatz von Streik, öffentlichem Protest und stadtweiten Unruhen werden. Diese soziale Krise ist als „Dublin Lockout“ in die Geschichte eingegangen.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren die Lebens-und Arbeitsbedingungen der Dubliner Arbeiterfamilien desolat. Es herrschten unsichere Arbeitsverhältnisse, Armut und Krankheit. Man lebte in Slums. Eine politische Organisation und Interessenvertretung, eine Arbeiterbewegung, kam nur schwer in Gang.
1909 hatte der politische Aktivist James Larkin allerdings die „Irish Transport and General Workers´ Union“ gegründet, die zwei Jahre später bereits 10.000 Mitglieder zählte.
Neben den Arbeitern der Guinness-Brauerei hatte sich Larkin auch an die der DUTC gewandt, deren Besitzer William Martin Murphy war. Murphys Meinung nach musste ein populärer Gewerkschaftsführer wie Larkin allen Arbeitgebern ein Dorn im Auge sein. Gegen seine Gewerkschaftsbewegung war entschieden und geschlossen vorzugehen. Als Gegenmaßnahme hatte er daher im Jahr 1912 zahlreiche Dubliner Arbeitgeber versammelt und die „Dublin Employers´ Federation“ ins Leben gerufen.
Außerdem hatte Murphy bekannt gemacht, dass er unter seinen Arbeitern keine Gewerkschaftsmitglieder dulden würde. Nachdem er im Monat zuvor dann tatsächlich hunderte Arbeiter entlassen hatte, entschieden sich die verbliebenen im August 1913 zur Unterbrechung ihrer Arbeit.
Doch die Arbeitgeber Dublins zeigten sich unerbittlich: Man folgte dem von Murphy vorgegebenen Kurs und verlangte von den Arbeitern, sich schriftlich darauf zu verpflichten, keiner Gewerkschaft anzugehören. Wer dem nicht Folge leistete, wurde entlassen und durch neue, bereitwillige Arbeitskräfte ersetzt.
Der rhetorisch versierte Larkin deklarierte diese Ereignisse, von denen Ende September 20.000 Arbeiter und deren Familien betroffen waren, nicht als Streik, sondern vielmehr als „lockout“, als „Aussperrung“ der Menschen von ihrer Arbeit und Lebensgrundlage.
Schon am 31. August kam es während einer Kundgebung, bei der Larkin sprach, zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Im Zuge des harten Vorgehens der Polizei wurden dabei drei Demonstranten getötet und zahlreiche Menschen verletzt.
Angesichts der verheerenden Folgen für die „ausgesperrten“ Arbeiter in den folgenden Herbst- und Wintermonaten zeigte sich die Arbeitgeber-Seite teilnahmslos. Verhandlungen zwischen den Parteien blieben ohne Erfolg. Der britische Gewerkschaftsverband, der „Trades Union Congress“, musste durch Nahrungsmittel-Transporte Krisenhilfe leisten. Den Aufforderungen Larkins, sich mit den irischen Arbeitern in Form größerer Streiks zu solidarisieren, kam man in England aber nicht nach.
So kam der „Dublin Lockout“ zu Beginn 1914 letztlich dadurch zu seinem Ende, dass die Dubliner Arbeiter den gewerkschaftsfeindlichen Bedingungen ihrer Arbeitgeber angesichts der existenziellen materiellen Not ihrer Familien Folge leisten mussten. Der zwischenzeitlich wegen Volksverhetzung inhaftierte Larkin verließ, nachdem er die Niederlage eingestanden hatte, das Land. Für die Entwicklung der irischen Arbeiterbewegung und Gewerkschaften sollten die dramatischen Geschehnisse von 1913 nichtsdestoweniger von Bedeutung bleiben, hatte sich das Prinzip eines solidarischen Eintretens für gerechtere soziale Verhältnisse doch im gesellschaftlichen Gedächtnis verankert.