Hardboiled fiction
TV-Ermittler der Gegenwart arbeiten oft im Team. Professionell und schnell, und falls sie weniger effizient kommunizierend auftreten, dann erscheinen sie gleich als neurotische Exzentriker mit Inselbegabung. Seit den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts war Philip Marlowe der „Hardboiled Detective“ aus anderem Schrot und Korn. Ein einzelgängerischer Held, der in der Hand kein navigierendes Smartphone, sondern Zigarette, Bourbon und gelegentlich blonde Frauen hielt. Geschaffen hatte die Figur Raymond Chandler, geboren vor 125 Jahren, am 23. Juli 1888.
Nach der Trennung von ihrem Mann war Chandlers irische Mutter mit ihrem Sohn von Chicago nach Großbritannien gegangen. Die Schule besuchte der Junge in London, um anschließend Frankreich und Deutschland zu bereisen. Wieder in England arbeitete er in der Verwaltung für die Marine, dann als Journalist, und, zurück in Amerika, als Buchmacher in Los Angeles. 1924 heiratete Chandler die 18 Jahre ältere Stiefmutter eines Kameraden, den er während des Ersten Weltkrieges in der Armee kennengelernt hatte, und gelangte in eine lukrative Führungsposition bei einer Ölgesellschaft.
Dann, 1932, mit 44 Jahren, wurde er gefeuert.
Chandler war nicht zur Arbeit erschienen, trank viel, sprach von Selbstmord. Wie schon zu früheren Zeiten dachte er an das Schreiben.
Als junger Reporter in England hatte er bereits Gedichte veröffentlicht, dem Schreiben aber aus finanziellen Erwägungen den Rücken gekehrt. Jetzt nahm Chandler die „Pulp Fiction“, wie sie in der Kurzgeschichten-Zeitschrift „Black Mask“ erschien, zum Ausgangspunkt für eine weitere Karriere als Autor. In „Black Mask“ und „Dime Detective“ konnte Chandler schnell zahlreiche Kriminalgeschichten veröffentlichen, bevor 1939 mit „The Big Sleep“ (deutsch „Der große Schlaf“) sein erster von sieben Romanen über den Privatdetektiv Philip Marlowe erschien.
Wie in dessen gleichnamiger Verfilmung mit Humphrey Bogart („Tote schlafen fest“) aus dem Jahr 1946 war die Atmosphäre in den Werken Chandlers „noir“. Sein Protagonist bewegte sich entlang seiner einsamen Ermittlungen durch eine großstädtische, unübersichtliche Welt aus allgegenwärtiger Kriminalität und dem Laster, dabei ein harter, aber mitfühlender Held. Zusammen mit Dashiell Hammets Sam Spade begründete Chandlers Marlowe den Typ des modernen, amerikanischen Privatdetektivs, der inmitten einer realistisch dargestellten und gewalttätigen Welt agierte, statt sich von einer sterilen Denkerstube aus zu des Rätsels Lösung zu kombinieren. Seine Vorstellungen zu einer derartigen Kriminalliteratur der Gegenwart, die sich vor allem von klassischen Detektivgeschichten britischer Prägung absetzen musste, formulierte Chandler 1944 in seinem berühmten Essay „The Simple Art Of Murder“ („Die simple Kunst des Mordes“).
In den vierziger Jahren arbeitete Chandler dann selbst an mehreren Drehbüchern. Wie das Buch für „The Blue Dahlia“ („Die blaue Dahlie“), 1946, war zwei Jahr zuvor auch das für „Double Indemnity“ („Frau ohne Gewissen“) – der Film entstand in Zusammenarbeit mit Billy Wilder – für den Oscar nominiert worden.
Die Arbeit an Letzterem stand schon wieder massiv unter dem Zeichen des Alkohols, dem Chandler zwischendurch hatte entsagen können. Das oberflächliche Hollywood war nicht seine Welt, aber verglichen mit den bescheidenen dreißiger Jahren der Kurzgeschichten brachte es Chandler enorme Einnahmen. Körperlich und innerlich war er mit Beginn der fünfziger Jahre jedoch ausgebrannt. Seine Frau Cissy war lungenkrank, Chandler selbst litt mittlerweile an einer schmerzhaften chronischen Hautkrankheit.
Sein vorletzter Roman „The Long Goodbye“ („Der lange Abschied“) im Jahr 1953 war das letzte große und gefeierte Aufbäumen Raymond Chandlers. Cissy starb ein Jahr später. Chandlers eigene Leiden, die Depressionen und der Alkoholismus, intensivierten sich danach bis zum Selbstmordversuch. Am 26. März 1959 starb er im kalifornischen La Jolla mit 71 Jahren an einer Lungenentzündung. Marius Prill
Raymond Chandler
das müsste Raymond Chandler sein, der das Drehbuch schrieb.