Von Ulbricht verurteilt
Mit einem Kunstgriff besonderer Art wartete 1949 der Dichter Johannes Robert Becher auf. Er hatte den Auftrag erhalten, einen Text für die Nationalhymne der DDR zu verfassen, und schrieb Zeilen, die man durchaus zur Melodie des Kaiserquartetts von Joseph Haydn singen konnte, Basis der deutschen Nationalhymne. Ob dies auch seine Intention war, weiß man nicht. Den Auftrag, das Gedicht zu vertonen, erhielt ein Österreicher.
Johannes Eisler kam am 6. Juli 1898 zur Welt. Von klein auf förderten die Eltern seine musikalischen Interessen. Bereits mit etwa zehn Jahren legte er erste Kompositionen vor. Nach eigener Aussage basierten seine Kenntnisse auf der allgemeinen Musiklehre Herrmann Wolffs, die in Reclams Universalbibliothek erschienen war. Erhalten blieben die Werke nicht. Eislers erste auch heute noch bekannten Kompositionen stammen von 1917/18, unter anderem Lieder nach Christian Morgenstern und Rainer Maria Rilke. Auch die Urfassung des Oratoriums „Gegen den Krieg“ stammt aus jenen Tagen; später arbeitete es Eisler nach den Regeln der Zwölftontechnik um. Nach dem Krieg trat er als Sänger auf, am Klavier begleitet von seiner Lebensgefährtin Irma Friedmann. 1919 schließlich schrieb er sich am Konservatorium ein, um die autodidaktisch erworbenen Kenntnisse zu vertiefen. Wenig später wurde er Privatschüler Arnold Schönbergs.
Schönberg prägte den akademischen Komponisten Hanns Eisler – seinen Vornamen hatte er leicht verkürzt. Die reine Lehre, die er als elitär betrachtete, vertrat Eilser aber nie, sondern verband die musikalische Moderne mit Elementen der Wiener Klassik, der Romantik und anderer Stilrichtungen. Zweifellos legte aber auch Eisler Werke vor, die nicht immer den Regel des Wohlklangs folgten, folglich weniger Zuspruch im Publikum fanden, beispielsweise „14 Arten, den Regen zu beschreiben“, Arnold Schönberg zum 80. Geburtstag gewidmet. In den fünfziger Jahren musste sich Eisler seines akademischen Schaffens wegen des Vorwurfs des „Formalismus“ erwehren – zu DDR-Zeiten bedeutete dies real Aufführungsverbot. Walter Ulbricht höchstpersönlich verurteilte Eislers „Faustus“-Bearbeitung.
Seinen festen Platz in den Annalen des zweiten deutschen Staates erschrieb sich Eisler indessen mit dem Vertonen von Arbeiterliedern und Kampfliedern. Musikalisch waren viele von zweifelhafter Qualität, doch gelang es Eisler fast immer, das textliche Niveau musikalisch deutlich zu überbieten. Große Interpreten vermochten es, die Töne über die Worte zu schieben.
In die Weltliteratur schrieb sich Eisler dank seiner Zusammenarbeit mit Bertolt Brecht ein. Unzählige Gedichte Brechts vertonte er, schrieb zudem Musiken zu Schauspielen wie „Die Mutter“ – nach Maksim Gorki –, „Schweijk im zweiten Weltkrieg“ und „Herr Puntila und sein Knecht Matti“.
Zeitlebens blieb Hanns Eisler österreichischer Staatsangehöriger. Er nahm weder die deutsche noch während der Exiljahre die US-amerikanische Staatsangehörigkeit an. Auch in der DDR behielt er stets seinen österreichischen Pass. Am 6. September 1962 verstarb er.