Getrieben von innerem Feuer
Roald bedeutet der Ruhmvolle. Einen besseren Namen hätten die Eltern des norwegischen Polarforschers Amundsen wohl kaum wählen können. Zugleich wurde Roald Amundsen in die richtige Zeit geboren, nämlich die des Goldenen Zeitalters der Antarktisforschung, im englischen „Heroic Age“ (Heldenalter) genannt. Kein Mensch kann so viele erfolgreiche Entdeckungsreisen in die Arktis und Antarktis vorweisen wie Roald Amundsen. Er durchfuhr als erster die 5780 Kilometer lange Nordwestpassage, die nördlich des amerikanischen Kontinents den atlantischen mit dem pazifischen Kontinent verbindet, und als Zweiter die 6500 Kilometer messende Nordostpassage (entlang der Nordküsten Europas und Asiens). Er gewann das Wettrennen zum geographischen Südpol gegen Robert Falcon Scott, der, ebenso wie seine vier Begleiter, sein Leben bei diesem Abenteuer lassen musste. Vielleicht erreichte seine Expedition sogar als erste den geographischen Nordpol, was nicht eindeutig belegbar ist, weil andere vor ihm ihre Ansprüche auf diesen Titel nicht nachweisen konnten.
Wer die zirkumpolare Kälte aushält, muss von innerem Feuer getrieben sein. Auf Amundsen traf dies zumindest voll und ganz zu. Er war schon als Kind von den Polarexpeditionen fasziniert. Anstatt sich für die Schule zu verausgaben, schmökerte er lieber in den Büchern des britischen Polarforschers John Franklin. Ein Studium nahm er nur auf, um seiner Mutter einen Gefallen zu tun, die gegen eine Karriere ihres Sohns im ewigen Eis war. Der Tod der Mutter 1893 bedeutete für Amundsen neben dem Verlust eines nahestehenden Menschen zugleich den Gewinn der Freiheit und die Möglichkeit, seinen Traum zu verwirklichen. Er bereiste zunächst als Matrose die Welt, ließ sich zum Steuermann ausbilden und brach 1896 endlich zur ersten Expedition in die Antarktis auf, der Belgica-Expedition, die er als Zweiter Offizier begleitete.
Roald Amundsen widmete sein ganzes Leben der Polarforschung. So nimmt es nicht Wunder, dass sein tragischer Tod, vermutlich heute vor 85 Jahren, mit dieser Passion in Verbindung stand. Er beteiligte sich mit einem Flugboot an der Suche nach dem in der Arktis in Not geratenen Polarforscher Umberto Nobile. Er brach am 18. Juni 1928 (im Alter von 56 Jahren) vom norwegischen Spitzbergen auf und kehrte niemals zurück. Sein Flugzeug wurde bis heute nicht gefunden.