18. Juni 1953: Die erputschte Republik

„Faruk muß abtreten“ und „Wir wollen eine Republik“! Als der Korrespondent der deutschen Wochenzeitung „Die Zeit“ 1949 Ägypten besuchte, brodelte es in den Straßen. Politische Unruhen, religiös motivierte Attentate und wirtschaftliche Krisenstimmung beherrschten die öffentliche Wahrnehmung. Der Monarch vermochte dem nichts entgegenzusetzen. König Faruk stand für ein System, das die Mehrheit der Menschen ablehnte. Der König von Großbritanniens Gnaden war mit seinen Ambitionen, Ägypten mit neuer selbstbewusster Souveränität zu erfüllen, rundum gescheitert. Er galt als Autokrat, der sich lediglich seiner persönlichen Habgier und der ausufernden Vetternwirtschaft verschrieben hatte. Weder die seit 1922 auf dem Papier existierende republikanische Staatsform noch die Unabhängigkeit von Großbritannien wurden von ihm vertreten oder gar verteidigt.

1936 als 16-Jähriger auf den Thron gekommen, vermochte zwar ein Vertrag mit den ehemaligen Kolonialherren den militärischen Rückzug der Engländer – mit Ausnahme der Suez-Region – einzuleiten. Doch mit Beginn des Zweiten Weltkriegs zählten solche Vereinbarungen nicht mehr viel. 1942 standen erneut die Briten im Land, um die aus Westen in Richtung Suez-Kanal vordringenden Italiener und Deutschen aufzuhalten. Auch innenpolitisch nahmen sich die englischen Verteidiger Eingriffe heraus. Als der König die Zusammenarbeit mit der nationalistischen Wafdpartei verweigerte, ließ der britische Botschafter den Königspalast von Soldaten umstellen, bis Faruk einlenkte und einen Premierminister aus der Wafd einsetzte. Mit dem erneuten Abzug der Engländer aus Ägypten 1946 sah Faruk seine Chance, sich zum König über den Sudan zu erheben. Der Nachbar im Süden hatte mit seiner wachsenden Baumwollproduktion die heimische Wirtschaft empfindlich getroffen. Denn die verhassten Briten begannen sudanesische Baumwolle zu importieren – anstelle ägyptischer. Doch trotz Faruks Annahme des Königstitel verfolgten die früheren Kolonialherren für den Sudan andere Pläne. Sie stützten lokale Machthaber, die einstimmig gegen eine Aufnahme ins ägyptische Königreichen waren.

Die Teilnahme Ägyptens am Palästinakrieg, also dem Einmarsch der arabischen Staaten in das sich bildende Israel, endete schließlich in einem Desaster. Militärisch geschlagen, wenn auch nicht vernichtet, entpuppte sich die mediale Propaganda als innenpolitische Zündschnur. Durch fortwährende Siegesmeldungen und Unterdrückung unliebsamer Nachrichten war die Bevölkerung in Erwartung eines Triumphes. Als sie unverhofft mit der Niederlage konfrontiert wurden, fühlten sich viele Ägypter betrogen.

Auch das Militär trug schwer an der Demütigung. Die Bereitschaft, das Regime Faruks weiter zu schützen, war endgültig erschüttert. Bereits 1938 hatten sich einige junge Militärs unter dem Namen „Freie Offiziere“ zusammengefunden, um die Möglichkeiten zu erwägen, die Monarchie zu beenden. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs arbeitete man im Geheimen beständig an Putschplänen. Der spätere Premier Anwar al-Sadat sprach vom „Todesstoß gegen ein verabscheutes Regime“. Am 23. Juli 1952 wurden die Pläne umgesetzt. Die Militärkommandantur wurde besetzt, die Zivilverwaltung übernommen und anschließend der König für abgesetzt erklärt. Faruk blieb nur die Flucht. Die Vertreibung der Araber aus Palästina sollte übrigens auch in anderen Ländern zu Machtwechseln führen. In Jordanien fiel der König einem Attentat zum Opfer, in Syrien putschte das Militär und der Premierminister des Libanons wurde ermordet.

Für die Ägypter war zwar die Stunde der Unabhängigkeit von den britischen Einflüsterern gekommen, aber eine Befreiung sollte dieser Regimewechsel nicht werden. Der Revolutionsrat setzte den militärischen Oberbefehlshaber General Ali Muhammad Nagib als Ministerpräsidenten ein. Der Kopf der Putschisten, Gamal Abdel Nasser, übernahm die Ämter des Premierministers und die Leitung des Innenministeriums, bevor er schließlich General Nagib selbst entmachtete, als sich dieser für die Übertragung der Gewalt an eine parlamentarische Regierung einsetzte. Mit der Schaffung eines sozialistischen Einparteienstaates unter der Schirmherrschaft einer starken Armee geriet Ägypten für die nächsten 60 Jahre in das Fahrwasser, aus welchem sich die Menschen seit 2011 zu befreien versuchen. Abdel Nasser genoß durchaus eine gewisse Popularität in der Bevölkerung. Freiheit und Mitbestimmung brachte er ihnen jedoch nicht. Auf Nasser folgten Sadat und schließlich Mubarak. Die Ausrufung der Republik am 18. Juni 1953 stellte unter dem Strich nur den Wechsel des Regimes dar.

Authored by: Jan Sperhake

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