Stilbildend für Generationen
Wäre das in unseren Tagen noch denkbar? „Graziella fragt, ob sie sich als Modell eigne“, lautet der schlichte Titel des Bildes, das als eines von unzähligen Akten wohl kaum Spuren in der Kunstgeschichte hinterlassen hätte. Graziella war aber etwa acht bis zehn Jahre alt, unschwer erkennbar ein Kind. Heute hätten sich wohl nur wenige Maler getraut, sie zu skizzieren, und wohl kein Postunternehmen wäre auf die Idee gekommen, ausgerechnet dieses Bild auf einer Briefmarke abzubilden.
Carl Olof Larsson malte überwiegend Szenen aus seinem Umfeld. Sein wichtigstes Sujet war seine Familie: seine Gemahlin, die Künstlerin Karin Bergöö, und die Kinder Brita, Kersti, Lisbeth und Suzanne sowie Esbjörn, Pontus und Ulf. Sie alle sind auf zahlreichen Gemälden und Zeichnungen zu sehen, die einen guten Einblick in einen bürgerlichen Haushalt zur Jahrhundertwende gewähren. Zugleich wurde Larssons Haus, das er gemeinsam mit seiner Frau Zug um Zug gestaltet hatte, stilbildend für Generationen. Helle Räume, lebensfrohe Farben und funktionale wie wohnliche Möblierung lagen zwar im Trend der Zeit, doch gelang es niemandem besser, die Atmosphäre einzufangen und künstlerisch auszugestalten. Mögen auch manche spöttisch über die IKEA-Welt schreiben oder reden, strahlt die als für Schweden typisch geltende Einrichtung doch jene Wärme aus, die Designermöbeln und ähnlichen Gegenständen gewöhnlich fehlt.
Das trug natürlich auch zu Larssons großen Erfolgen bei. Gekonnt verstand er es, seine Kunst und sein Leben zu vermarkten. Sein Wohnhaus stellte er bereits 1899 in einem Album vor, dass er schlicht „Ett hem“ nannte, Ein Heim. Wie spätere Alben verkaufte es sich bestens, in Schweden wie im Ausland. Schon zu Lebzeiten war Larsson daher ein gefeierter Maler, der auch außerhalb des Heimatlandes ausstellte. Ihm gelang es, das Populäre mit dem stets der Kunst innewohnenden Elitären zu einer Einheit zu verschmelzen. Larssons Bilder erzählen vom Leben.
Künstlerisch gehörte er keiner der seinerzeit aktuellen Schulen an, ohne aber in der Vergangenheit zu schwelgen. Durchaus finden sich in seinen Bildern beispielsweise impressionistische, an Max Liebermanns Schaffen erinnernde Lichteffekte. Gleichermaßen integrierte er in sein Schaffen Elemente der Renaissance und des Rokoko. Nur von der trügerischen Idylle des Biedermeier findet sich in seinem Werk keine Spur, mögen manche Sujets als solche auch auf den ersten Blick biedermeierlich wirken.
Wahrscheinlich spielte dabei eine Rolle, dass er den eigenen Aufstieg mit Humor reflektierte. Carl Olof Larsson, geboren am 28. Mai 1853, kam aus armen Verhältnissen und musste nebenher arbeiten, um seine Studien an der Königlichen Kunstakademie zu finanzieren. Eine erste Stelle fand er als Illustrator. Mit dem Gemälde „Sten Sture befriar drottning Kristina ur fångenskapen“ – Sten Sture befreit Königin Kristina aus der Gefangenschaft – gelang ihm der Durchbruch. Das Königshaus verlieh ihm 1876 eine Medaille. In der Folgezeit konnte Larsson unter anderem nach Frankreich reisen und dort die Landschaft in Aquarellen festhalten. Nach Schweden zurückgekehrt, fertigte Larsson überwiegend Ansichten von Stockholm und Umgebung. Die Schwiegereltern schenkten der jungen Familie dann das Haus bei Sundborn, das in die Kunstgeschichte eingehen sollte.
Keineswegs legte Larsson aber bloß Landschafts- und Heimatbilder vor. Für das Stockholmer Nationalmuseum gestaltete er in der Freskentechnik „Gustav Vasas intåg i Stockholm 1523“ – Gustav Wasas Einzug in Stockholm 1523 – und „Gustaf II Adolf som landstiger i Tyskland“ – Gustav II. Adolfs Landung in Deutschland. Die Königliche Oper in Stockholm gehörte ebenso zu seinen Auftraggebern wie das Dramatische Theater. Als er am 22. Januar 1919 verstarb, zählte er zu den angesehensten Malern seiner Heimat. Sein Haus blieb der Nachwelt mit der Originaleinrichtung als Museum erhalten.