Marke der Woche: 14 Tage Bergkönig
Unsere heutige „Marke der Woche“ stammt aus Spanisch-Andorra. Die Sondermarke erscheint am 3. Juni und verbirgt hinter dem harmlosen Titel „Architektur: das Haus der Russen“ eine bemerkenswerte Geschichte. Es geht um einen Mann, der so gerne König sein wollte. In den 1930er-Jahren war ja bekanntlich ein gewisser Trend zu verzeichnen, sich mit mehr oder weniger legalen Methoden Länder anzueignen, um dort anschließend Alleinherrschaften zu etablieren. 1934, also ein Jahr, nachdem Deutschland einem halbgebildeten Vagabunden in die Hände gefallen war, tauchte im Pyrenäen-Zwergstaat Andorra ein junger Mann auf, der ähnliche Pläne hegte. Sein Auftreten war stilvoll, seine Herkunft angeblich aus dem russischem Adel und seine Ziele rechtschaffend und menschenfreundlich. Am 17. Mai erläuterte er im andorranischen Rat, aus dem kleinen Land ein Steuerparadies mit Kasino und Finanzindustrie machen zu wollen. Man solle ihn zu diesem Zwecke doch bitte zum König ernennen. Der Mann wurde umgehend verhaftet und des Landes verwiesen. Doch nun begann erst die eigentliche Geschichte…
Denn Boris Michailowitsch Skossyrew zeigte sich entschlossen. Seine bisherige Laufbahn deutete auf einen lebenserfahrenen, weltmännischen Charakter hin. 1917 mit seiner Familie aus Russland geflohen, arbeitete Skossyrew vorerst für das britische Außenministerium. Geheime diplomatische Missionen sollen ihn nach Sibiren, Japan und in die USA geführt haben, bevor er sich von der niederländischen Königin Wilhelmina mit dem Titel „Graf von Oranje“ küren ließ. Nach gescheiterte Ehe zog es ihn in die nur gelegentlich von wohlhabenden Frauen bereicherte Einsamkeit – nach Andorra. Dieses kleine Land war für europäische Standards noch Entwicklungsland. Die Infrarstruktur war mangelhaft, von Industrie keine Spur. Die Menschen lebten von der Landwirtschaft und verdienten sich ein Zubrot als Schmuggler, eine durchaus ehrbare und traditionsreiche Tätigkeit in den Pyrenäen. Politisch handelte es sich bei Andorra um ein Fürstentum, das von zwei Koprinzen regierte wurde. Diese waren der Bischof von Urgell sowie das französische Geschlecht de Foix, dessen Anspruch 1594 auf das französische Staatsoberhaupt übertragen worden war.
Boris Michailowitsch Skossyrew nahm nun Kontakt zum Herzog von Guise auf, dem vermeintlichen Rechtsnachfolger der de Foix und zumindest theoretischer Natur Anwärter auf den französischen Thron. Bald nannte er sich „Stellvertreter des Königs von Frankreich“ und begann, den internationalen Medien Interviews zu geben. Sein zweiter Anlauf, die Herrschaft zu erlangen, verlief – entsprechend gewieft und gut vorbereitet – erfolgreich. Die Repräsentanten der Täler waren den Visionen von sprudelndem Reichtum gewogen und gaben dem erneuten Antrag des Thronanwärters am 7. Juli 1934 mit einer Mehrheit von 23 : 1 Stimmen statt. König Boris I. legte in den kommenden Tagen großes Engagement an den Tag, druckte und verteilte seine Verfassung, hielt Empfänge und Feste ab und schmückte sich mit einem kleinen Hofstaat inklusive Geliebter und einer ihm wohl ähnlich gewogenen amerikanischen Millionärin. Allein, das Glück war nicht von Dauer. Das eine Tal, welches sich gegen seine Königswahl gestellt hatte, machte beim Bischof von Urgell Stimmung gegen den jungen Herrscher. Und so wurde Boris I. nach nur 14 Tagen auf dem Thron von vier spanischen Polizisten festgenommen. Man brachte ihn mit der Bahn, das Abteil in der Dritten Klasse bewegten den exilierten Monarchen zu einer formellen Beschwerde, außer Landes.
Was aus ihm wurde, scheint nicht sicher belegt. Es heißt, er sei 1944 in einem französischen Internierungslager verstorben. Andere Autoren gewähren ihm noch eine Karriere als Spion jenes oben erwähnten halbgebildeten Vagabunden, in dessen Dienst er 1945 die Konferenz von Jalta ausgespäht haben soll. Dieser Version zufolge lebte der einstige König von Andorra noch bis 1989 in der Kleinstadt Boppard in Rheinland-Pfalz. Aber wie dem auch sei, Unsterblichkeit hat er sich verdient, dieser König Boris I. Möge Hollywood unseren Ruf erhören und diese bezaubernd-bizarre Geschichte würdig in Szene setzen.
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