„Verrat, Sire, ist nur eine Frage des Datums“
Klug und fleißig – gibt es nicht.
Klug und faul – bin ich selbst.
Dumm und faul – für Repräsentationszwecke noch ganz gut zu gebrauchen.
Dumm und fleißig – davor behüte uns der Himmel.
Diese Aussage kursiert in verschiedenen Übersetzungen. Mit ihr werden die Arbeitsstrukturen in der öffentlichen Verwaltung ebenso karikiert wie die Karrieremuster in Konzernen der Privatwirtschaft. Der Ausspruch stammt von einem verarmten französischen Adligen, der zunächst als Theologe wirkte, ehe er sich der Politik zuwandte.
Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord hätten qua Geburt alle Türen offen gestanden, doch musste er sich wegen der finanziellen Lage seiner Eltern hocharbeiten. Am 2. Februar 1754 geboren, studierte er am Priesterseminar St. Sulpice in Paris und wurde 1779 zum Priester geweiht. Zunächst wirkte er als Abbé am Kloster von Saint-Denis und wurde 1780 zum Generalagenten des französischen Klerus ernannt. Erst 1788 erhob ihn die Kirche zum Bischof von Autun. Kurz darauf wählten ihn die Kleriker zu einem ihrer Abgeordneten der Generalstände.
Als die Französische Revolution ausbrach, wechselte Talleyrand die Seiten. In den Generalständen und später in der Nationalversammlung trat er als Vertreter des Dritten Standes auf und engagierte sich unter anderem für die Gründung einer Nationalbank, für die Meinungsfreiheit und die Einführung des Postgeheimnisses. Des Weiteren plädierte er für die Verstaatlichung kirchlichen Eigentums. Nichtsdestoweniger ließ er sich 1791 als Geistlicher auf die neue Verfassung vereidigen. Papst Pius VI. zog die Konsequenzen und exkommunizierte Talleyrand. Trotz des Verlustes seiner kirchlichen Ämter erhielt er weiterhin Einkünfte aus seiner Position in Saint-Denis.
1792 wechselte er in den diplomatischen Dienst und ging zunächst nach Großbritannien. Während der Schreckensherrschaft wurde er auf Druck französischer Exilanten ausgewiesen und fand in den Vereinigten Staaten Zuflucht. 1796 kehrte er nach Frankreich zurück und trat im Folgejahr als Außenminister in das Direktorium ein. Als es mit dem Direktorium zu Ende ging, reichte er rechtzeitig seinen Rücktritt ein und verbündete sich mit General Napoléon Bonaparte.
Napoléon förderte Talleyrand fortan. Nach Napoléons Staatsstreich kehrte Talleyrand in das Außenministerium zurück. In Verhandlungen mit den anderen Großmächten setzte Talleyrand durch, dass diese Napoléons Ausrufung zum Kaiser akzeptierten, wenn auch mitunter zähneknirschend. Als Napoléon den Bogen zu überspannen begann, setzte sich Talleyrand schrittweise von ihm ab, kritisierte beispielsweise die Kriegspläne gegen Preußen und Österreich. Nach dem Frieden von Tilsit, 1807, legte er sein Amt nieder. Napoléon ernannte ihn zum Vice-Grand Electeur, den dritthöchsten Titel seines Kaiserreiches. Zwischen 1806 und 1815 war Talleyrand zudem souveräner Fürst von Benevent in Italien und damit Herrscher eines der Fürstentümer, die von Napoléon abhängig waren.
1815 kehrte Talleyrand erneut in das Außenministerium zurück, diesmal als Vasall von Louis XVIII., dessen Ambitionen auf den Thron Talleyrand rechtzeitig zu unterstützen begonnen hatte. Auf dem Wiener Kongress gelang es ihm, Frankreich vor Gebietsverlusten zu bewahren. Zu dem Zweck schloss er Bündnisse mit Großbritannien und Österreich. Gegenüber Zar Aleksandr I. soll er in Wien gesagt haben: „Verrat, Sire, ist nur eine Frage des Datums“.
Nach dem Ende des Kongresses wurde es für 15 Jahre still um Talleyrand. 1830 gelang es ihm dann, erneut die Bühne der Politik zu betreten. Louis Philippe entsandte ihn als Botschafter nach Großbritannien, wo er bis 1834 wirkte. Unter anderem beteiligte er sich an den Verhandlungen über die Unabhängigkeit Belgiens. Zwar erklärte er, die Belgier seien keine Nation, da man Nationen nicht am Verhandlungstisch schaffen könne. Dies hinderte Talleyrand aber nicht daran, die Königswahl entscheidend zu beeinflussen. Auf den Thron gelangte Prinz Leopold Georg Christian Friedrich von Sachsen-Coburg-Saalfeld, in Belgien als Leopold I. bekannt. Als Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord am 17. Mai 1838, heute vor 175 Jahren starb, zählte er zu den Großen der Diplomatie und Außenpolitik. Zugleich galt er als Musterbeispiel des wendigen Politikers.