„Dass die Erinnerung nicht verloren geht“
„Es ging darum, sich nicht abschlachten zu lassen, wenn sie kamen, uns zu holen. Es ging nur um die Art zu sterben.“
(Marek Edelman, Kommandeur im jüdischen Widerstand)
Warschau, 19. April 1943. Um das Ghetto herum sind SS-Einheiten zusammengezogen worden. Heinrich Himmler, Reichsführer der SS, hat einen ehrgeizigen Plan gefasst: Zum Geburtstag Adolf Hitlers am folgenden Tag will er seinem Führer die polnische Hauptstadt „judenfrei“ präsentieren. Etwa 50 bis 60 000 Menschen leben zu dieser Zeit noch im Ghetto. Die Auflösung des im November 1940 eingerichteten Ghettos hatte zwar schon im Sommer 1942 begonnen, doch erstmals hatte sich Widerstand geregt: Am 28. Juli 1942 wurde die jüdische Kampforganisation ZOB gegründet. Kontakte zum polnischen Widerstand wurden geknüpft und Waffen ins Ghetto geschmuggelt, allerdings konnten nur wenige beschafft werden. Dennoch: Als die SS im Januar 1943 zu Deportationen ins Ghetto einrückt, wird sie von der ZOB unter der Leitung ihres Kommandanten Mordechaj Anielewicz zunächst zurückgeschlagen.
Jetzt, am 19. April, hat die SS eine gewaltige Streitmacht aufgeboten, unterstützt von polnischer Polizei, ukrainischen und lettischen Hilfstruppen, Panzern, Artillerie und Luftwaffe. Doch als die ersten SS-Männer ins Ghetto vorrücken, werden sie beschossen. Etwa 800 jüdische Kämpfer, bewaffnet mit wenigen Gewehren, dazu einigen Pistolen, mit Äxten, Messern und Molotowcocktails leisten Widerstand. Der Aufstand im Warschauer Ghetto hat begonnen, ein deutscher Panzer geht in Flammen auf, auf einem Haus wird der Davidsstern gehisst. Am Abend müssen sich die Deutschen zurückziehen und auch in den nächsten Tagen gelingt es ihnen nicht, im Ghetto Fuß zu fassen. Doch dann beginnen sie, die Häuser zu bombardieren und das Ghetto in Brand zu stecken.
Die verbleibenden Kämpfer ziehen sich in unterirdische Bunker zurück, kämpfen weiter, doch ihnen ist klar, dass sie keine Chance haben, Ende April beschließt die ZOB, aus dem Ghetto zu fliehen. Zwar gelingt einigen die Flucht, doch dem Großteil der verbliebenen Kämpfer sind sämtliche Rückzugswege versperrt, sie sammeln sich stattdessen im Hauptquartier der ZOB, einem Bunker in der Mila-Straße 18. Am 8. Mai wird das Hauptquartier der ZOB entdeckt und umzingelt, die verbliebenen 120 Kämpfer um Anielewicz leisten zwei Stunden lang erbitterten Widerstand, dann setzen die Deutschen Gas ein. Nur wenige können fliehen, wer noch lebt, begeht Selbstmord, um den Deutschen nicht lebend in die Hände zu fallen.
„Diejenigen, die gefallen sind, haben ihre Aufgabe bis zum Ende, bis zum letzten Tropfen Blut erfüllt, das im Pflaster des Warschauer Ghettos versickert ist. Wir, die überlebt haben, überlassen es Euch, daß die Erinnerung an sie nicht verlorengeht“, schreibt Marek Edelman (19. September 1919 bis 2. Oktober 2009) in seinen Erinnerungen. Edelman, der es fast bis zuletzt im Bunker aushält, gelingt es, durch die Kanalisation zu fliehen, später beteiligt er sich am Warschauer Aufstand von 1944. Am 16. Mai 1943 schließlich sprengen die Deutschen die Große Synagoge und melden die Niederschlagung des Aufstands.
Die Botschaft dieses Aufstands vor 70 Jahren jedoch, so die Historikerin Leni Yahil, „ging weit über die Mauern des in Ruinen gelegten Ghettos hinaus“.