Zwei Schritte um 0.00 Uhr
30. April 2004, 23.00 Uhr: Die Europäische Union wächst um vier neue Mitglieder. Estland, Lettland, Litauen und Zypern treten dem Staatenbund bei. Eine Stunde später, am 1. Mai um 0.00 Uhr folgen Malta, Polen, die Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn. Statt 15 gehören dem Staatenbund nunmehr 25 Mitglieder an. 2007 dann erhält die Union erneut Zuwachs. Bulgarien und Rumänien werden die Mitgliedsstaaten Nummer 26 und 27.
Doch weshalb traten die zehn Staaten 2004 nicht auf einen Schlag der EU bei? Nun, aus eigener Perspektive wurden Estland, Lettland, Litauen und Zypern ebenso am 1. Mai um 0.00 Uhr Mitglied wie die übrigen sechs Länder. Doch wuchs die Europäische Union mit der Osterweiterung auch um eine Zeitzone. Als es in den vier Staaten Mitternacht schlug, zeigten die Uhren in Brüssel und Berlin, Warschau und Prag noch 23.00 Uhr des Vortages. So erfolgte der Beitritt in zwei Schritten und doch stets zum 1. Mai 0.00 Uhr.
Die Osterweiterung gehört zu den großen Erfolgsgeschichten der Europäischen Union. Ganz korrekt ist der Begriff allerdings nicht, traten mit Malta und Zypern doch auch zwei südeuropäische Länder bei. Zudem wehren sich Polen, Tschechien, die Slowakei, Ungarn und Slowenien zu Recht gegen das Wörtchen „Ost“, zählen sie doch zu Mittel- oder Zentraleuropa. Allerdings klänge es etwas komisch, von einer „Ostmittelsüderweiterung“ zu sprechen. Historisch stand ohnehin der Beitritt der bis 1990 sowjetisch besetzten und beherrschten Länder im Mittelpunkt.
Nach der Befreiung schauten sie natürlich sofort auf die einst als „Westen“ bezeichneten Staaten. Von Anbeginn stand ein Beitritt zur Europäischen Union im Fahrplan, ganz gleich, ob die Länder nur die Regierungsform wechselten, wie dies in Polen und Ungarn geschah, oder ob sie wie die Balten ihre Eigenstaatlichkeit zurückerlangten. Tschechien und die Slowakei lösten ihren Bundesstaat nach gut 70 Jahren auf, Jugoslawien zerfiel unter hohem Blutzoll. Zu den beitrittswilligen Ländern aus dem einstigen Ostblock gesellten sich dann die Mittelmeerstaaten Malta und Zypern.
Zug um Zug reformierten die Anwärter Staatsaufbau und Wirtschaftsordnung und passten ihre Gesetze den Regelwerken der Union an. Keineswegs wurde dabei alles über einen Kamm geschert, wie die Steuergesetzgebung belegt. Estland führte beispielsweise den Einheitssatz in der Einkommensteuer ein, derweil andere Staaten der westlich des einstigen Vorhanges üblichen progressiven Besteuerung den Vorzug gaben. Die Mitglieder der Europäischen Union förderten den Transformationsprozess großzügig. Gut 20 Milliarden Euro flossen bis 2003 in die beitrittswilligen Länder.
Formal begannen die Verhandlungen über den Beitritt 1997. Am 9. Oktober 2002 empfahl die Europäische Kommission den Beitritt der zehn Staaten, sodass am 13. Dezember die Verhandlungen erfolgreich abgeschlossen werden konnten. Nachdem das Europäische Parlament am 9. April 2003 den Verträgen zugestimmt hatte, konnte am 16. April – heute vor zehn Jahren – deren feierliche Unterzeichnung in Athen über die Bühne gehen. Zug um Zug ratifizierten neun der zehn Staaten das Abkommen in Volksabstimmnungen. Am stärksten fiel die Zustimmung in der Slowakei aus: 92 Prozent der Bürger stimmten für Europa. In Malta votierten dagegen nur 54 Prozent für den Beitritt. Zypern ging den Weg der alten EU-Mitglieder, in denen die Parlamente die Ratifizierung vornahmen. Eine Volksabstimmung mochten die Zyprioten mit Rücksicht auf die Landsleute im türkisch besetzten Teil der Insel nicht veranstalten.
Am Beitrittstag fanden in allen Ländern mehr oder minder große Feiern statt. In Polen sprach Bundespräsident Johannes Rau vor dem Sejm und dem Senat, eine Ehre, die zuvor nur Papst Johannes Paul II., US-Präsident Bill Clinton und Königin Elizabeth II. zuteil geworden war. Zum offiziellen Staatsakt trafen sich die Politiker in Dublin, da Irland seinerzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne hatte. Am 3. Mai schließlich nahmen die 162 Abgeordneten der neuen Mitgliedsstaaten erstmals an einer Plenarsitzung des Europäischen Parlamentes teil.
Sowohl politisch als auch wirtschaftlich gelang es mit der EU-Osterweiterung, den Kontinent weiter zu stabilisieren. Die neuen Mitglieder sind inzwischen fest in den Staatenbund integriert, die Wirtschaft entwickelte sich überall positiv. Mit Ausnahme Zyperns gehören inzwischen alle 2004 beigetretenen Staaten dem Schengen-Raum an, sodass die Binnengrenzen ähnlich den Grenzen zwischen den deutschen Bundesländern nur noch formalen Charakter haben. Natürlich gab es im Laufe der Zeit auch negative Schlagzeilen, zuletzt aus Zypern, nachdem sich die dortigen Banken verspekuliert hatten. Das ändert aber nichts an der Grundeinschätzung, dass der Ausbau und die weitere Vertiefung der europäischen Zusammenarbeit eine Erfolgsgeschichte ist, wie sie der Alte Kontinent in seiner Geschichte eher selten schrieb.
Wegen der Zeitverschiebung.
Es waren das das Comic- und das Briefmarkensammeln
Aufgrund der weiteren Zeitzone.